Bedingungslose Hingabe an den Tanz
Auszeichnung mit dem Bayerischen Kunstförderpreis für Bianca Teixeira
In Museen und Ausstellungen tanzen viele – heute und seit über hundert Jahren. Sehr selten gerät das zu solch einem einmaligen Ereignis gegenseitiger Durchdringung von darstellender und bildender Kunst wie bei der Veranstaltungsreihe „Kunst trifft Kunst. Dancing Postmodernism“ des Balletts des Staatstheaters am Gärtnerplatz in Kooperation mit dem Museum Brandhorst. Aktuell wird dort mit der Ausstellung Fünf Freunde | Museum Brandhorst einer der künstlerisch prägendsten Freundeskreise der Nachkriegszeit gewürdigt, bestehend aus den interdisziplinären Kunstschaffenden Merce Cunningham, John Cage, Jasper Johns, Robert Rauschenberg und Cy Twombly – wobei letzterer einen besonderen Sammlungsschwerpunkt des renommierten zeitgenössischen Kunsttempels in der Maxvorstadt ausmacht.
Mit über 180 Kunstexponaten – Partituren, Bühnenrequisiten, Kostümen, Fotografien, Notationen – wird derzeit dem einmaligen Austausch der Künstlervertreter der Sparten Tanz, Musik und bildender Kunst gedacht, die sich nicht nur gegenseitig entscheidende Impulse gaben und miteinander kollaborative Werke entstehen ließen, sondern freundschaftliche und intime Beziehungen miteinander pflegten. Im Falle von Merce Cunningham und John Cage handelte es sich um eine Partnerschaft auf der Bühne wie auch im Leben, von Studientagen am Black Mountain College bis zum Tod des Komponisten und Partners des Ausnahmechoreografen bzw. Vaters des Postmodern Dance.
Stellt bereits die Ausstellung – zu sehen bis zum 17. August 2025 – ein Muss für Tanz- und Kunstliebhaber dar, so ist die wenige Aufführungen zählende Performance in Kooperation mit dem Gärtnerplatz ein echtes Highlight im Kulturkalender, das auch bei der zweiten Vorstellung Tanzprominenz aus Wissenschaft, Kuration und Szene anlockt. Völlig zu Recht. Im ungewöhnlich intimen Rahmen – dem Rosensaal, einst selbst inszeniert vom amerikanischen Künstler Cy Twombly – präsentieren ein Dutzend Tänzer*innen gemeinsam zwei Werke von Cunningham: das lebhaft-virtuose, dabei komplett ohne Musik auskommende „How to Pass, Kick, Fall and Run“ von 1965 sowie das in dieser Art uraufgeführte „Museum Brandhorst Event“, das sich in der Inszenierung von Daniel Squire aus verschiedenen Stücken Cunninghams – u.a. „Swingweather and People“, „Suite for Five“, „Summerspace“, „Rune“ oder „Story“ – zusammensetzt und im Zusammenspiel mit einer John Cage Komposition zu erleben ist.
Intim ist der Aufführungsort vor allem für die Tänzer*innen des Staatstheaters, die sonst in einer konventionellen Bühnensituation frontal zu erleben sind; im Rosensaal stehen und sitzen die Zuschauer*innen jedoch halbkreisförmig um die Darsteller*innen im während der gesamten Vorstellung erleuchteten Ausstellungsraum herum. Die Choreografie selbst und auch die Kostüme – farbige Ganzkörperanzüge, die mit den Knallfarben der großformatigen Twombly-Blumenbilder korrespondieren – kaschieren und verschlucken nichts, sondern präsentieren die Darsteller*innen „nackt“ auch im bekleideten Zustand.
Why are you so sad, bird?
Grundverschieden sind die beiden gezeigten Stücke vor allem hinsichtlich ihrer jeweiligen Atmosphäre: Während das erste Stück komplett ohne Musik auskommt, man dafür aber der Stimme des Ballettdirektors Karl Alfred Schreiner lauscht, der aus der John Cage-Rede „Indeterminacy“ von 1958 vorträgt. So ist die zweite Event-Collage – als solches Format erstmals 1964 von der Merce Cunningham Dance Company im Museum des 20. Jahrhunderts in Wien als „Happening“ abgehalten – als ein tänzerisch-musikalisches Produkt zu erleben, das ein doppeltes, voneinander völlig unabhängiges Erlebnis von dualer Komposition ermöglicht; idealtypisch steht dieses für die gewollte Unabhängigkeit von Tanz und Musik des prominenten Künstlerpaares. In beiden Stücken entfalten sich jedoch der besondere Zauber und die einmalige Aura, die von Cunningham-Werken ausgehen – nicht geschaffen, um in erster Linie repräsentativ zu sein oder um unbedingt zu gefallen.
Eine gewisse Coolness und neutrale Eleganz strömt von den androgyn wirkenden Tänzer*innen aus, wobei die aleatorische Choreografie selbst höchste tanztechnische Ansprüche an sie stellt. Immer wieder wechseln sich langgezogene Balancen – Momente der „Stillness“ – mit flink-dynamischen Trippelschritten ab, „jagen“ sich die Tänzer*innen – ohne dabei eine Storyline zu erzählen – in Jetés über die Bühne. Auch Graham-Virtuosität blitzt immer wieder bei den virtuosen Choreografien durch – aus deren rigider Schule Cunningham selbst kam: Tilts, eingedrehte Attituden, langsam gedrehte Développés à la Seconde oder hohe Sprünge in den Diagonalen wechseln sich ab mit „alltäglichem“ Laufen über die Bühne.
Die Tänzer*innen bewegen sich durch „Zeit und Raum“ – und das Publikum mit ihnen –, erzählen von Tanz und sonst von nichts weiter, oder? Ohne diese Analogie erzwingen zu wollen, tut sich während der rund einstündigen Vorstellung trotz allem vor allem ein Bild auf: ein Schwarm von Vögeln, Schwalben vielleicht, die elegant und ruhelos um unsere Köpfe kreisen und allein durch ihre Präsenz faszinieren und betören. Wer das Glück hat, noch eine der letzten Vorstellungen von „Dancing Postmodernism“ besuchen zu können, dem lautet die klare Empfehlung: Ansehen und verzaubern lassen! Unbedingt!
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