„Romy“ von Enrique Gasa Valga

„Sissi“-Plakate in Flammen

Die Limonada Dance Company mit „Romy“ im Deutschen Theater München

Enrique Gasa Valga gelingt es ausgesprochen kurzweilig und ergreifend, mit der Leichtigkeit und den gleichnishaft-sinnbildlichen Mitteln des Tanzes an tragische Leben der Schauspielikone Romy Schneider zu erinnern.

München, 24/06/2025

Hier gibt die Musik den Ton an. Enrique Gasa Valgas Tanzstück „Romy“ beginnt bei nur halbgeöffnetem Vorhang mit den Klängen von Willy DeVilles „Heaven Stood Still“. Die Romy-Dastellerin schaltet die Lichter an ihrem Schminktisch ein. Ihrer Figur verleiht Camilla Danesi sofort eine intensive emotionale Tiefe. Müde zündet sie sich eine Zigarette an. Den Text des Songs wird die stimmlich wieder großartige Greta Marcolongo allerdings erst zum Schluss dazu singen. So melancholisch-melodiös und geradezu leitmotivisch rundet sich Gasa Valgas berührende Innenschau einer Frau, die für die Schauspielkunst alles gegeben, alles geopfert hat.

Wenn das getanzte Biopic beginnt, ist Romy Schneider bereits am Ende ihres Lebens angekommen. Erschöpft blickt sie auf ihre bewegte Vergangenheit zurück. Eine zweite Tänzerin tritt hinter sie, berührt ihre Schulter, ergreift ihre Hand. Chiara Malavasi – das Gesicht weiß geschminkt, später spielt sie mit einer Maske – verkörpert die Rolle „Romys Schatten“. Als weitere eindrucksvolle Interpretin, die zuletzt als einzige auch in Spitzenschuhen tanzt, ist sie Romys innere Stimme. Malavasi steht für die unbeirrbare, verführerisch-starke, Romy seit ihrer Kindheit antreibende Kraft und ihr seelisch-emotionales, feministisch-freigeistiges Alter Ego. 

Irgendwann blockt diese Stimme jegliche Vereinnahmung entschlossen ab – durch den sexuell übergriffigen Stiefvater (Locke Venturato als Hans Herbert Blatzheim) wie durch die ehrgeizige Mutter (immer elegant auf Zack: Lara Brandi als Magda Schneider). Im ersten Teil tanzt Malavasi ein langes Solo zu Charles Aznavours „La Bohème“. Romy – nun in Paris und verliebt in Alain Delon – raucht. Die Plakate ihrer legendären „Sissi“-Filme gehen dazu im Hintergrund in Flammen auf. Um Romys Befreiungsschlag und ihre innere Befriedigung darüber deutlich zu machen, ist das ein ausgezeichneter Effekt. Viele solcher Ideen und schlüssige Übergänge bereichern den Abend – weit über die Spitzenleistungen der insgesamt 13 Tänzer*innen in elf namentlich benannten Rollen hinaus.

Am Esstisch zeigt Gasa Valga die Streitereien der Familie Biasini konkret als stilisierte zwischenmenschliche Auseinandersetzungen. Und das damalige Lebensgefühl am Strand von Saint-Tropez bringt er – gespickt mit Modezitaten – nicht nur auf den Punkt, sondern sogar zum Tanzen. Gleich in der ersten Szene bei voll aufgezogenem Vorhang skizziert der Choreograf das flüchtige Bild einer schwierigen Familienkonstellation. Wie noch oft im Verlauf dieses Handlungsballetts lässt er Reales und das Ambiente eines Filmsets ineinander verschwimmen. Eine Rückerinnerung stößt dabei die nächste an. Oft sind diese innerlich eng verquickt, so wie es bei manchen von Romys Filmrollen auch in Bezug auf ihr privates Leben tatsächlich der Fall war. 

Solche Koinzidenzen hat Gasa Valga in seiner Inszenierung ganz hervorragend herausgearbeitet, indem er Romy mit ihrer unverwechselbaren Stimme und in ausgewählten Filmdialogen selbst zu Wort kommen lässt. Ungeschönt ehrlich spricht Romy Schneider da in einem Interview über ihre Erfahrungen mit dem Starsystem in Amerika und ihrem Gefühl, den damit verbundenen Anforderungen nicht gerecht werden zu können. Das Ensemble performt währenddessen – weit vorne an der Rampe und nah dran am Publikum – in hautfarbenen Trikots eine abstrakte, in der Gruppe dennoch sehr intime Tanznummer: schöner Querverweis auf Selbstzweifel, Verletzlichkeit und die berufliche Schonungslosigkeit. Fotos und Videoeinspielungen der echten Romy ersetzen häufig – stets wohl dosiert – atmosphärisch notwendiges Dekor für diese mehr introspektive Produktion. 

Für Gasa Valga scheint es keinen Anlass zu Opulenz gegeben zu haben. Alles wird heruntergebrochen auf ein familiäres Hin-und-her-Gezerre, Romys innere Zerrissenheit, ihre Beziehungen mit unterschiedlichen Männern, den Selbstmord des ersten Ehemanns und den Unfalltod ihres Sohns – meist nur schlaglichtartig beleuchtet und eher flüchtig im Erzählstil. Das macht es dem Publikum nicht unbedingt leicht, der Handlung wie Romys Partnerwechseln nach ihrer ersten und großen Liebe zu Alain Delon (völlig überzeugend: Gabriel Marseglia) zu folgen. 

Dennoch ist es Enrique Gasa Valga ausgesprochen kurzweilig und ergreifend gelungen, mit der Leichtigkeit und den gleichnishaft-sinnbildlichen Mitteln des Tanzes an Romy Schneiders tragisches Leben zu erinnern. Die subtilen Interpreten seiner Limonada Dance Company lassen nicht bloß entscheidende Momente im Leben eines der wenigen internationalen Schauspielstars in Nachkriegsdeutschland Revue passieren, sondern dringen zu den inneren Nöten einer stets am eigenen Selbstanspruch zu scheitern drohenden Künstlerin vor. Wer sich „Romy“ nicht anschaut, verpasst wirklich etwas.
 

Die Produktion ist am 27. & 28. Juni im Congress Innsbruck zu sehen.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern