Auf dem Weg in neue Höhen
Die Heinz-Bosl-Stiftung mit ihren Herbstmatinéen im Nationaltheater
„Terpsichore-Gala XII“ - Eine Abschiedsgala für Münchens Ballettchef Ivan Liška
Die beste Idee für die letzte Terpsichore Gala im Münchner Nationaltheater unter Ivan Liška: keine tränenselige Abschiedsrede, sondern als Vorspann groß projizierte Fotos, die seine 18-jährige Staatsballettleitung in Erinnerung rufen, vom Amtsantritt 1998, zusammen mit Staatsballettgründerin Konstanze Vernon, bis heute. Bei den Bildunterschriften: „Liška: jung“ und „noch jung“ lacht uns augenzwinkernder Humor entgegen. Und der hierbei von Myron Romanul (durchgehend Gala-gerecht am Pult) unterlegte „Frühlingsstimmen-Walzer“ von Johann Strauß deutet beschwingt auf einen eher frühlingshaften (Nicht-)Ruhestand des scheidenden Chefs.
Auch Liškas Stellvertreter für die Klassik und schon Vernons rechte Hand, der exzellente Wolfgang Oberender, verabschiedet sich heuer. Er hat, Wünsche seines Chefs eingerechnet, eine (Un-)Gala zusammengestellt, die vor allem die in langen Jahren eingeholte Stilpalette des Ensembles vorführt.
Ein Ausschnitt aus Leonide Massines „Choreartium“ (1933), ein traumschön bewegtes Art-déco-Gemälde, wirft einen Blick zurück in die Gesamtkunstwerk-Bestrebungen der Ballets-Russes-Ära. Bei Frederick Ashtons „Birthday Offering“ (1956) zu Glasunow genießt man die vornehme britische Neoklassik, in der besonders die weibliche Tanzanmut herausstrahlt. Sechs Damen, angeführt von der Ersten Solistin Daria Sukhorukova, klöppeln in schwindelerregendem Tempo ‚Spitzenkunstwerk’ auf die Bühne. In „The New 45“ fetzt die Junior Company die hier lässig aufgejazzte Postmoderne von Richard Siegal auf die Bretter. Alle drei blendend getanzten Nummern verlangten wegen ihrer Länge Dauerkonzentration. Da musste man diesmal durch.
Zumindest ein Betrag von Liška, der selten choreografiert, war zu seinem Abschied Pflicht: das Solo „Ricercare“, in der Bewegung scharf konturiert, verriet überdies bei Jonah Cook (wird von Liškas Nachfolger Igor Zelensky übernommen) einen Tänzer, geschaffen für die Prinzenrollen, zugleich brennend für alles Neue. Ein Muss war auch das Quasi-Heimspiel der wunderbaren, Technik total vergessend machenden Maria Eichwald, die 2004 nach Stuttgart abwanderte. Ihr Schluss-Pas-de-deux aus Kenneth MacMillans „Manon“ mit dem Stuttgarter Weltstar Friedemann Vogel entfachte einen Applausorkan. Da wurde manches Auge feucht. Auch beim tragischen Schluss von John Crankos Meisterwerk „Onegin“, Münchens Repertoire Eckpfeiler, mit Polina Semionova und Stuttgarts Jason Reilly.
Herzensangelegenheit war für Ivan Liška, Gäste aus seiner Heimatstadt vorzustellen: Prag war schließlich durch Liškas Landsmann Jiří Kylián (der Ausschnitt aus seinem „Zugvögel“ fiel wegen einer Erkrankung aus) der Geburtsort des europäischen Modern Dance. An den frühen Kylián erinnert denn auch Petr Zuskas „Lyrical“ zu ukrainischen und ostslowakischen Volksballaden, kraftvoll fließend getanzt von Zuzana Šimáková und Ondřej Vinklát. Zuskas „Déjà Vu“, stilistisch schon eigenständiger, setzen Alina Nanu und Giovanni Rotolo technisch hoch gewandt und mit subtiler Comic-Bravour um.
Drei Gala-Knaller gab's trotzdem: Klassikmeister Petipas „Esmeralda“, von den Etoiles der Pariser Oper Laura Hecquet und Karl Paquette mit französisch kühler Brillanz hingefedert; Balanchines Neoklassikjuwel „Tschaikowsky-Pas de deux“ ultra virtuos-elegant von Berlins Iana Salenko und dem Londoner Royal-Ballet-Star Steven McRae – der mit einer Steptanz-Eigenschöpfung solo noch einen „Czardas“ hinpfefferte. Nicht zu übertreffen! Am Ende Goldflitterregen auf Liška und die Tänzer – und alle glücklich.
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