„Shades of us“ von Edward Clug; Eveline Drummen und Tamas Darai

„Shades of us“ von Edward Clug; Eveline Drummen und Tamas Darai

Meine Ballettfestwochen – Teil II

Pick bloggt über einen fast verpassten Zwischenhalt in Augsburg, bevor er sich wieder in die Ballettfestwochen vertieft

Augsburgs Ballett beeindruckt Günter Pick aufs Neue und in München sieht er mit Freude seine Kollegen auf der Bühne. Nebenbei gibt es noch den ein oder anderen Tipp für den Tanznachwuchs.

Augsburg/München, 01/05/2016

Über den ersten Teil meiner Ballettwochen in München, die ja den Abschied des bisherigen Ballettchefs Ivan Liška einläuten, hatte ich mir den Schlenker nach Nordhausen erlaubt und dieses Mal beginne ich mit der Ballettpremiere in Augsburg, die kurz vorher gewesen war. Ich hatte gehofft, dass ich das Eröffnungsstück dieses dreiteiligen Abends noch nachholen könnte in einer der Nachfolgevorstellungen, denn zur Premiere reiste ich mit der DB aus dem Rheinland an. Und wie so oft fuhr mein Zug schon dreißig Minuten zu spät ab, sodass der Anschluss in Mannheim längst weg war, der nächste dann ausfiel und ich anstatt wie geplant zwei Stunden vor Beginn der Vorstellung 10 Minuten zu spät im Theater ankam, als das Stück von Edward Clug schon in vollem Gang war.

Zum Höhepunkt war es allerdings früh genug, fast vergleichbar mit Pinas „Kindern…“ beim Staatsballett. Dem ehrgeizigen Robert Conn ist es gelungen zwei der besten Choreografien von Balanchine, nämlich „Apollo“ und „Tarantella“, für seine hervorragenden Tänzer nach Augsburg zu bekommen. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass beim Publikum der Klassiker des Spitzentanzes „Apollo“ wegen seiner edlen etwas unterkühlten Art zu Strawinskys Musik nicht so recht ankam. Aber das Bonbon einer jeden Gala nämlich „Tarantella“, auf Weltniveau getanzt von Yurie Matsuraa und Theophilus Vesely, ganz nach dem, was man sich erwartet hatte, kam an. Der dritte Choreograf des Abends, Riccardo De Nigris, ein begabter Italiener, der Ensemblemitglied ist, hat es sich schwerer gemacht, als notwendig, indem er sich ein Bühnenbild aus unterschiedlich großen Kuben bauen ließ und auch nutzte. Aber es bringt die Choreografie nicht voran, sondern wirkt eher verstörend, ob im Sinne des Choreografen bleibt unbeantwortet. Alles in allem aber war es ein großer Ballettabend, der das Ensemble und seinen Leiter in der ersten Liga bestätigt.

Zurück nach München: Die Bosl-Matinee ist jedes Jahr ein Höhepunkt der Ballettwoche, die normalerweise nur eine echte Woche dauerte, aber wohl wegen des Abschiedsabends für Liška und die fünf ausverkauften Vorstellungen des Bausch-Abends ausgeweitet wurde. Das Niveau der Matinee ließ keine Wünsche offen und die Tradition, die Konstanze Vernon mit dieser Schule begann, hat nicht gelitten unter dem Leiter Jan Broeckx, an den ich mich gern als Tänzer erinnere, als er mit seinem Bruder in Berlin an der Deutschen Oper in Roland Petits „Les Intermittences du Coeur“ tanzte, noch ehe er nach München kam. Ein Wiedersehen mit Heinz Mannigel und einer seiner Choreografien, die stets beim Publikum gut ankamen, und der in meiner Anfangszeit am Gärtnerplatz Theater ein gern gesehener Trainer meines Ensembles war, freute mich ebenfalls!

Die besten Tanzschüler als Teilnehmer zum Wettbewerb nach New York zu schicken gefällt mir sehr, und sie hier dem Publikum zu präsentieren ist sicher eine gute Idee. Aber die perfekte Odile-Variation von Rina Nishiuchi hat sicher nur eine Chance im Wettbewerb, wenn sie dort auch eine andere, nämlich eine lyrische Seite ihres Könnens zeigen kann.

Mein Abschluss, aber nicht das Ende der Ballettwochen, war die Kreation von Simone Sandroni im Prinzregenten-Theater. Gedacht als Abschied für Ivan Liška mit zwei etwa gleich reifen Interpreten: Judith Turos und Peter Jolesch, den ich ebenso lange kenne wie Ivan. Mit Ivan war ich zur gleichen Zeit in Düsseldorf engagiert, Peter war jedoch erst später dort. Alle diese Abende waren ausverkauft, was nicht verwunderlich ist, und für mich war es besonders interessant das junge Ensemble aus Chicago zu sehen, das ich letztes Jahr in Hamburg bei einer Koproduktion mit dem Bundesjugendballett gesehen und das mir sehr imponiert hatte. Die Begegnung in München war nicht minder eindrucksvoll mit sechs jungen und sehr vielseitigen Tänzern und Choreografien von tiefschürfend bis heiterem American Way of Dancing, was nach anfänglicher Ratlosigkeit des Publikums zu Ovationen anwuchs.



Für Peter Jolesch, einen geerdeten, grundehrlichen Tänzer hat es mich gefreut, dass er den Preis der Mme Lejeune für seine Verdienste überreicht bekam und er konnte es kaum fassen, dass ihm so etwas widerfährt - vor achthundert Zuschauern. Und es spricht für Ivan, der sich, nachdem er am Ende in Sandronis Stück gen Schnürboden aufgefahren war, ganz zurücknahm, obwohl es doch sein Abend sein sollte.

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