Who Can Be a Dancer?
Think Tank #3 von Ceren Oran & Moving Borders in München
Im Schauburg Labor, einem Ort, den es offiziell noch gar nicht gibt, wurde „Gute Wut“ am 8. März 2025 München uraufgeführt. Eigentlich wird dieses Kultur-Labor erst Ende Mai offiziell eingeweiht, als zweite der Schauburg zugehörige kulturelle Begegnungsstätte von und für Kinder.
Das Tanztheater „Gute Wut“ „über ein großes Gefühl und den Umgang mit eigenen und fremden Grenzen“, wie es in der Programmübersicht heißt, folgt dem Leitmotiv der aktuellen Spielzeit der Schauburg, ‚Gut oder Böse‘. Die mit Witz und Ironie gespickte Produktion richtet sich nicht ausschließlich an ein junges Publikum, sondern bietet auch Erwachsenen eine tiefgründige Auseinandersetzung mit einer der intensivsten menschlichen Emotionen.
Denn hier wird Wut nicht nur als eine negative Reaktion auf äußere Umstände dargestellt, sondern als eine vielschichtige, facettenreiche Emotion, die sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Dimensionen hat. Die zwölf Teile des Theaterstücks, das die mehrfach ausgezeichnete Choreografin Ceren Oran mit dem Ensemble der Schauburg zusammen kreiert hat, bietet verschiedene Blickwinkel auf das Thema: Von der kindlichen Unschuld, die in unkontrollierten Wutausbrüchen mündet, bis hin zu den komplexeren Ausprägungen der Wut, die von Enttäuschung, Ungerechtigkeit, persönlicher Abgrenzung und dem Streben nach Veränderung geprägt sind.
Die vier Schauspieler*innen arbeiten dabei mit ihrem Körper als Hauptausdrucksmittel. Alle verfügen sie über ihre intensive Expressivität hinaus über eine besondere Körperbeherrschung, die es ihnen ermöglicht, auch mit Slapstick- oder Tangoelementen das Publikum zu faszinieren, zum Schmunzeln hinzureißen und insgesamt den Spannungsbogen zu halten. Choreografien und Bewegungsabfolgen auf, hinter und mit vier Würfeln, die es im wahrsten Sinne in sich haben, manifestieren die inneren Konflikte und das Aufbrausen der Wut. Die körperliche Sprache gibt hier dem Publikum die Gelegenheit, sich mit der Emotion auf einer tiefen, visuellen Ebene zu verbinden.
Denn Wut in ihrer Gesamtheit ist ein innerer Motor, der sowohl destruktive als auch kreative Kraft besitzt. Die Inszenierung legt besonderen Wert darauf, dass Wut nicht nur als eine zu vermeidende oder zu kontrollierende Emotion dargestellt wird, sondern auch als eine, die, wenn sie richtig kanalisiert wird, Veränderungen bewirken und zu einem positiven Wachstum führen kann. Die Darsteller*innen zeigen, wie sie in verschiedenen Kontexten eine treibende Kraft sein kann, die zur Auseinandersetzung und zu möglichen Lösungen und hier auch zur zwischenmenschlichen Versöhnung führt.
Wie facettenreich das sein kann, zeigt sich an der Vielseitigkeit der Darbietung, u.a. die Irrungen und Wirrungen mit einem roten Faden, der über die helle nüchterne Bühne gespannt wird und für eigene und fremde Grenzen steht. Auch die Farben der Kostüme, die mobilen Würfel, die darin befindlichen Bälle und der Tränenvorhang in Rot unterstreichen die Vielschichtigkeit des Begriffs Wut. Die in Bewegung geratenen Requisiten und die zum Teil tänzerischen Verwandlungen fördern rasche Szenenwechsel. Die untereinander verbundenen Szenen oder Bilder sind dabei teilweise sprunghaft, statisch oder in Zeitlupe, entsprechend den Emotionen eines Kindes.
Die Kombination aus Tanz, Bewegung und Schauspiel, gepaart mit einer klaren, minimalistischen Bühnenästhetik, schafft eine Atmosphäre, die das Publikum sowohl emotional als auch intellektuell fesselt. Das Stück erinnert daran, wie wichtig es ist, den Umgang mit Wut zu lernen, um sie für persönliche und gesellschaftliche Veränderungen zu nutzen, statt sie nur als ein unkontrollierbares, gefährliches Gefühl zu betrachten.
Insgesamt ist „Gute Wut“ eine inspirierende, emotionale Auseinandersetzung mit einem der komplexesten menschlichen Gefühle, die dieses auf eine neue, tiefere Weise verstehen lässt. Wie sich Wut in Optimismus umwandeln lässt, da lieferte der Jubel nach der Premiere „Gute Wut“ am Samstag das beste Beispiel: Applaus für die Choreografin Ceren Oran mit David Campling, Janosch Fries, Lucia Schierenbeck und Annelie Straub.
Gute Wut: Tanztheater von 4 bis 8 Jahren. Weitere Vorstellungen am 11., 13., 21. und 25. März 2025, dann wieder im April 2025
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