Ballettwelt im Umbruch
Ein pädagogisches Konzept für die Münchner Ballett-Akademie
Vielen Tänzerinnen und Tänzern wurde der Prix de Lausanne bislang zum entscheidenden Sprungbrett für eine aufsehenerregende Karriere. Im Jahr 1973 vom schweizerischen Industriellenpaar Philippe Braunschweig und seiner Frau Elvire Braunschweig-Krémis ins Leben gerufen, entwickelte er sich in den folgenden Jahren zum international wohl renommiertesten Wettbewerb für angehende Ballettstars weltweit. In diesem Jahr haben sich 87 Kandidat*innen (43 Mädchen und 44 Jungen im Alter von 15 bis 18 Jahren) gegen 425 Bewerber*innen aus 43 Ländern durchgesetzt – darunter der Studierende Kyle Lippoth (18) der Ballett-Akademie der HMTM München. In diesem Jahr ebenfalls für München mit dabei ist der gebürtige Münchner Simon Boley (18), der für das begleitende Choreografische Projekt der Partnerschulen des Prix de Lausanne ausgewählt worden ist. Einen Tag vor Abreise nach Lausanne trafen wir uns noch für ein kurzes Gespräch.
Choreografisches Projekt der Partnerschulen
Simon, du vertrittst in diesem Jahr als einziger Student die Münchner Ballett-Akademie beim Choreografischen Projekt in Lausanne. Wie kam es dazu?
Ich wusste gar nichts davon und habe nur eine E-Mail bekommen, dass ich bitte ins Sekretariat kommen soll, denn es gäbe tolle Neuigkeiten. Mir wurde gesagt, dass ich ausgewählt worden bin und habe mich dann direkt registriert. Das ging alles ziemlich schnell, mir wurde letztlich gesagt: Willst du hingehen? Du gehst. Viel Spaß. (lacht)
Weißt du ein wenig was dich in Lausanne erwartet? Was weißt du über das Choreografische Projekt?
Es ist ein Projekt, in dem vor Ort ein neues Stück mit einem renommierten Choreografen erarbeitet wird – in diesem Jahr von Kinsun Chan –, und das wir beim Finale und an der Gala Rising Stars (3./4. Februar) im Beaulieu Theatre zeigen werden. Da wir das Stück innerhalb weniger Tage erarbeiten, bestehen die rund 10 Tage in Lausanne vor allem aus Proben: Am ersten Abend gibt’s ein Welcome-Dinner, und am nächsten Morgen geht’s direkt los mit Ballettunterricht von verschiedenen Dozenten, danach Probe, Mittagessen, Probe, Probe, Abendessen, wieder Probe und ab ins Bett – und das quasi die ganze Woche lang.
Worauf freust du dich bei dieser einmaligen Gelegenheit in deiner Ausbildung besonders?
Ich würde sagen, auf all die verschiedenen Leute: die verschiedenen Teilnehmer, aber natürlich vor allem die Lehrer und ganzen Stars, bei denen man Unterricht nimmt, und von denen man ganz unterschiedliche Perspektiven auf Ballett oder Modern Dance erhält. Außerdem ist es was ganz Besonderes, dass wir von einem sehr guten Choreografen ein Stück lernen dürfen.
Prix de Lausanne 2024
Kyle, du trittst beim diesjährigen Wettbewerb an. Seit wie lange bereitest du dich darauf vor?
Ich musste mich vor dem 30. September bewerben, und dann relativ schnell – Anfang / Mitte Oktober – Videomaterial schicken. Das war dann tatsächlich ziemlich viel, so direkt am Anfang des neuen Schuljahrs. Seit mir Anfang November mitgeteilt wurde, dass ich angenommen worden bin, übe ich jeden Tag meine beiden Variationen.
Was wird das Publikum von dir sehen? Womit wirst du dich präsentieren?
Es gibt ja immer verschiedene Variationen zur Auswahl, aus denen man sich dann bedienen muss, darunter sind klassische Variationen aus Giselle, Nussknacker oder Le Corsaire. Ich habe mich für Prinz Desirée aus Dornröschen entschieden und bei der zeitgenössischen Variation für Tout va bien? der jungen französischen Choreografin Elena Dombrowski, die hierfür vergangenes Jahr den Young Creation Award erhalten hat – dieses Stück enthält sehr schöne Arme und war mein Lieblingsstück von allen. Ich habe mir diese beiden Variationen ausgesucht, und dann natürlich mit meinen Lehrern und Freunden darüber beratschlagt und ihre Meinungen eingeholt.
Du hast bereits elfjährig am YGP-Ballettwettbewerb in Paris teilgenommen und dort den ersten Preis gewonnen. Nun trittst du sieben Jahre später beim Prix de Lausanne an. Überwiegt hier für dich der Druck oder die Vorfreude.
Ich würde sagen, es ist eine Mischung von allem. Und klar, ich muss ehrlich sein, diese Vorbereitungsphase ist schwer, vor allem mental, weil man sich bei Wettbewerben nie bereit genug fühlt, egal, wie viel man trainiert hat. Man weiß einfach nicht, wie es dann letztendlich sein wird. Aber was ich besonders schön finde, und warum ich immer Lausanne machen wollte, ist, weil der Prozess wirklich eine Woche geht. Man präsentiert sich nicht nur in einer einzigen Minute, sondern man kann sich in allen Facetten zeigen und durch das Coaching vor Ort viel dazulernen.
Blick in die Zukunft
Kyle, du befindest dich im Abschlussjahr, Simon, du im vorletzten Jahr eurer Ausbildung. Welche Träume habt ihr für die Zukunft?
Simon: Bei mir ist es sehr einfach, ich versuche noch gar nicht daran zu denken. (lacht) Aber natürlich habe ich Träume, wo ich hinmöchte, aber im Moment versuche ich einfach das Beste aus der derzeitigen Situation herauszuholen, aus dem Hier und Jetzt.
Kyle: Ja, ich glaube, vor allem im dritten Jahr denkt man sehr viel darüber nach, was jetzt direkt vor einem liegt, vor allem natürlich einen Job in der für dich besten Kompanie zu finden. Aber letztlich glaube ich, man kann sehr wenig planen, vor allem als Tänzer. Und vielleicht ist auch genau das, was so schön ist, das Unerwartete. Was ich von mir selbst am meisten wünsche, ist, dass ich das Beste aus mir heraushole, aus meinem Potential. In eine Kompanie gehen, wo ich für die Qualitäten geschätzt werde, die ich habe, aber auch gepusht werde. Ja, das ist mein Wunsch für mich und ebenso für alle anderen.
Das klingt jetzt fast nach einem Statement für die anstehende Woche in Lausanne, was du dir hiervon mitnehmen möchtest…
Ja, natürlich wäre es unglaublich schön, wenn ich dadurch einen Vertrag bekommen könnte. Das ist ein sehr großer Wunsch. Aber auch einfach mein Netzwerk zu erweitern. Ich bin beispielsweise ein echter Fan vom Australian Ballet und David Hallberg, weil ich den Eindruck habe, dort werden wirklich alle Tänzer von ihm geschätzt, für das, was sie sind und können. Ich hatte in den Weihnachtsferien darüber hinaus die Möglichkeit, beim Bayerischen Staatsballett zu trainieren, was sehr besonders für mich war. Wenn man schon so lange in München lebt, wie ich, ist das natürlich ebenfalls ein großer Traum.
Viel Erfolg und eine inspirierende spannende Woche beim Prix de Lausanne, wünsche ich Euch beiden!
Der Wettbewerb kann per Livestreaming kostenlos unter folgendem Link mitverfolgt werden:
Accueil Live - Prix de Lausanne
Anna Beke ist Dozentin für Tanzgeschichte an der Ballett-Akademie der Hochschule für Musik und Theater München und freischaffende Autorin für tanznetz.de.
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