Ballettwelt im Umbruch
Ein pädagogisches Konzept für die Münchner Ballett-Akademie
Gut in Form zu sein, ist gerade beim Tanz das A und O und davon konnte sich das Publikum im ausverkauften Prinzregententheater am vergangenen Sonntag in der Vorstellung „Ballett-Akademie en scène“ überzeugen.
Es ist eine mitreißende, abwechslungsreiche Sommershow, die das Publikum zum Mitklatschen animiert mit einem Programmn, das alles aufbietet, was Arme und Beine koordiniert zusammenbringen kann, von der Vorstufe bis zum Bachelor. Zehn Ausbildungsstufen präsentieren ihr Programm, leichtfüßig, mal ironisch, mal mit Anleihen aus großen Balletten, z.B. „Schwanensee“ – stets in Form.
Eröffnet wird der Abend von den Bachelor of Arts-Student*innen mit Bournonvilles luftiger Choreografie „A Folktale“, die neben der Leichtigkeit eine ungeheure Präzision voraussetzt und ein im wahrsten Sinne klassisches Beispiel für Raumsymmetrie, Richtungen und Tanzstlilistik darstellt. Gerade Bournonville ist gespickt mit Schwierigkeiten, die salopp formuliert ‚einfach um die Ecke kommen‘, ohne ‚Vorwarnung‘. Zu sehen sind Sprungserien für männliche wie auch für weibliche Tänzer, Sprünge, die unvermittelt auf der Bühne erscheinen – ohne Préparations, die große Sprung- und Pirouettenfolgen ankündigen, wie es in den großen, abendfüllenden klassischen Balletten normalerweise der Fall ist. Die Kunst liegt hier, bei Bournonville in der Koordination der Arme und Beine, die nicht immer kongruent und doch abgestimmt sein soll. Die Tänzer*innen ernten dafür Bravorufe. Man würde dem Stück nicht gerecht werden, würde man den Wert der Bournonville’schen Choreografien allein unter dem Aspekt des Studiums der Technik betrachten.
Umgekehrt ist ohne eine ausgefeilte Technik die Interpretation von Werken verschiedener Epochen nicht möglich. Sie bildet die Basis auch neoklassizistischer (Pas des Deux „Dies ist mein ganzes Herz“) wie zeitgenössischer Choreografien. Technisch hoch virtuos müssen sich die jungen Tänzer*innen behaupten und schon trotz ihrer Jugend eine Ausdrucksstärke an den Tag legen, um den Sprung ins Berufsleben zu meistern. Gelungene Beispiele dafür sind Russos Choreografien „Between me and you“ oder „Lullaby twenty twenty two“. Überhaupt wirft diese abwechslungsreiche Sommershow der Ballettakademie schon jetzt ihre Schatten voraus für Mitte Februar, wenn sich die Münchner Ballettakademie als Gastgeberin der „Biennale Tanzausbildung“ empfiehlt. Vor dem Hintergrund der großen Notwendigkeit einer zukunftsweisenden Reform der Tanzpädagogik hat so auch die Ballett-Akademie der Hochschule für Musik und Theater München in einem umfangreichen und partizipativen Prozess ein pädagogisches Konzept entwickelt, das hier als neuer Lehrplan realisiert wird.
Ein Feuerwerk an Farben, Formen, Stilen verbirgt sich hinter dem Verdi-Titel „diVERDIssment“. Dass man sich Giuseppe Verdi mit seiner Musik aus „Aida“, „La Traviata“, „Il Trovatore“, „Otello“ und „I vespri siciliani“ widmet, begeistert nicht nur die Tänzer*innen und das Publikum, auch die Musikstudent*innen mit Gesang und Orchester unter Mark Pogolski haben sichtlich Freude an ihren Auftritten. Mit zwei Jahren Verspätung ist nun die Gelegenheit gekommen, an Verdis 120. Todestag zu erinnern. Jetzt kann man die bleierne Corona-Zeit hinter sich lassen. Endlich ist es möglich, ein Live-Orchester der Münchner Musikhochschule mit Sänger*innen zu dem zu machen, was es sein soll – ein erfrischend musizierendes Orchester, das mit seinem Elan und Können den jungen Tanzstudent*innen der Münchner Ballettakademie einen adäquaten musikalischen Rahmen bietet. Exakt auf das Programm des Abends zugeschnitten, hat der musikalische Leiter des VOLTA-Ensembles Mark Pogolski einige Werke umgeschrieben.
Zur unterhaltsamen Sommershow tragen nicht nur die extravaganten Kostüme von regenbogenfarben bis schwarz-weiß bei. Dieses breite Farbenspektrum findet seine Entsprechung auch in den Tanzstilen – von sportlichen Federballspielerinnen und Tänzen über rauschende Schmetterlinge bis hin zu Bayerischen Schuhplattlerbuben in Lederhosen, die mit Keschern auf lustige Anglertour gehen, die Vorstufe (die Jüngsten) hatte ihre Pferde voll im Griff. Goldene Revue-Einlagen bereichern die Vorstellung ebenso wie die unterhaltsamen hervorragend getanzt und gespielten schmierigen Tangotanzpaare, die das Potpourri der Zeitreise durch die Tanzgeschichte illustrieren und für Standing Ovations vor und hinter der Bühne sorgen.
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