„Da steckt (mehr als) eine Frau dahinter“
Publikum feierte in der Regensburger Mälze zwei neue Tanzstücke von Thea Sosani
Tanztage Regensburg starten mit zwei ‚einheimischen’ Produktionen und Standing Ovations
„Es war bombastisch! Vielen Dank.“ Garniert mit einem kleinen Herz, hat der erste Facebook-Eintrag bei Thea Sosani die Stimmung des Publikums nach der Deutschlandpremiere von „Numb – Erstarrt“ treffend auf den Punkt gebracht. Es dauerte stockend lange Sekunden bis die gefangenen Zuschauer im Theatersaal der Universität Luft geholt hatten. Dann aber brachen sich stürmischer Applaus und Beifallsrufe richtig gehend Bahn, begeisterte Jubler sprangen aus ihren Sitzen.
Knapp eineinhalb Stunden dauerte das Tanzstück, mit dem die neu formierte Gruppe der georgischen Choreografin Thea Sosani vor wenigen Wochen Weltpremiere in Tiflis hatte. Es ist das erste abendfüllende Bühnenwerk Sosanis. Mit einer Videoprojektion verloren wehender Gardinenstores und dreier Mädchen, die unter diffus schwierigen Bedingungen leben, skizziert sie die Ausgangsbasis. Den durch Lichtkegel markierten Kreisen der isolierten und nunmehr erwachsenen jungen Frauen nähert sich ein junger Mann im Michael-Jackson-Stil. Untermalt und angetrieben von mal heftig groovender moderner Musik mal geistlichen Chorgesängen beginnt ein heftiges Werben.
Wie Motten umgarnen die Frauen aufgeregt den schicken Adonis (Pasha Darouiche), spannen ihn sich gegenseitig aus, plustern sich auf, werfen sich leidenschaftlich ins Rennen. Bei diesem intensiven Buhlen, diesem tänzerisch ungeheuer emotional, mit viel Witz und mimischer Expression gezeichneten Liebesleben treffen herkömmliche Rollenbilder auf feminines Selbstbewusstsein, schwache auf starke Charaktere, Hysterie auf Dominanz. Auf einmal ist es vorbei. Alles nur eine Illusion? Zerbröselt unter alten Mustern und Konflikten? Bevor sich Depression breit macht, zerrt eine der Frauen zwei Männer aus den Vorhanggängen und wirft sie den anderen vor die Füße. Ein noch intensiveres Spiel um Glück und Leidenschaften beginnt, durchsetzt mit slapstickartigen Bildern, groteskem Gehabe und tänzerisch, wie schauspielerisch formulierter Gier nach Lust und Liebe. Auch wenn am Ende wieder Gardinenstores im Wind wehen, das Beziehungsgeflecht bleibt letztlich offen.
Sosani sind Bilder von enormer Eindringlichkeit gelungen. Dem steht die gänzlich unabstrakte, kraftvolle Choreografie mit ihren fesselnden Bewegungen in nichts nach. Das Ensemble agiert wie aus einem Guss und geht jede Sekunde voll und ganz im spannungsreichen Zusammenspiel auf. Selbst wenn man einige Längen konstatiert – das Tanzen des fünfköpfigen Ensembles macht alles wett.
Den Anfang beim Eröffnungsabend der Regensburger Tanztage machte „Henro Boke – Das Erreichen eines eigentümlichen Gemütszustands“ von und mit Ute Steinberger, Andy Schlögl und Volker Michl. Inhaltlich orientiert sich die Gemeinschaftsproduktion an Gerald Knolls Reisebericht „Pilgern auf Japanisch“. Unter einer Wäscheleine mit japanischen Schriftzeichen schlüpfen die Tanzenden in (Pilger-)Schuhe, die nicht recht passen wollen. Dieser tänzerische Eindruck prägt am Ende auch die Choreografie als Ganzes. Die verheddert sich trotz interessanter Einfälle und schöner Sololeistungen in tänzerischem Gefälle, Momenten gefährdender Unsicherheit und undurchsichtiger Ideen.
Was völlig fehlte: Ein Begrüßung zur Eröffnung der Tanztage durch Veranstalter oder einen prominenten Vertreter der Stadt. Das wirkt – ganz anders als die Tanzdarbietungen – ziemlich stoffelig und unprofessionell.
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