Körper fliegen übereinander
Overhead Project bei den Regensburger Tanztagen
Es scheint als wären einige Zuschauer beinahe erleichtert, als das Tanzstück „The Others“ im Theater an der Uni zu Ende gegangen ist. Ein konzentrierter Schlussapplaus und schon verlassen die ersten den funktionalen Raum. „Das ist nicht so meins“, lautet der Kommentar einer Besucherin, deren Nachbarin von dem getanzten – und gesprochenen – Fantasy-Märchen durchaus angetan ist.
Gesprochen deshalb, weil eine Off-Stimme die Geschichte von vier Menschen, umgeben von einem endlosen Meer verrottenden Plastiks, stetig weitererzählt. Im raunenden Tonfall des „Long time ago...“ legt sich die Stimme über die sakralen Choräle des King‘s College Chors, über ein orchestrales Klavierstück, elektronische Sounds und über orchestrale Filmmusik, welche die Wendung zum happy end einleitet.
Die vier TänzerInnen erzählen die ökologische Geschichte so ziemlich haarklein mit und nach. Dabei nutzt das Quartett jedes Körperteil von der Mimik bis in die Finger- und Zehenspitzen. Etwa, um mit den Fingern etwas nachzuerzählen, was sich mit anderen Formen und Bewegungsabläufen nur unzulänglich oder in höchst abstrakter Weise nachbilden ließe. Häufig agieren sie indessen einzeln und nacheinander, während die anderen abseits stehen und beobachten. Ob damit die Isolation der einsamen Menschen in der nach außen abgeschirmten, unwirtlichen, toten Welt unterstrichen oder etwas anderes ausgedrückt werden soll, erschließt sich weniger.
Insgesamt leidet die Choreografie an einem Zuviel und Zuwenig. Zuviel Pathos, zu viel Zappeligkeit, zu viel parallellaufende Informationsstränge bei einem gleichzeitigen Zuwenig an Miteinander. Die Tanzenden sind in ihren solistischen Beiträgen, artistisch anmutenden Sprüngen, Überschlägen und affenscharfen Hip-Hop-Elementen richtig gefordert. Gleichzeitig erweckt diese Form des Nacheinanders den Eindruck einer Challenge. Wer schafft den höchsten Sprung, wer die weiteste Spreizung, wer die schnellste Drehung. Natürlich gibt es auch gemeinsame Aktionen, synchrone Figuren und Bilder. So trippeln sie mehrmals in absurd kurzen Schrittchen, verstört suchend über die Tanzfläche, ein Bild der Hilflosigkeit aber auch des Horrors. Kontraste zwischen fast vollständiger Ruhe und Bewegungslosigkeit und großer Betriebsamkeit sind ein weiteres hervorstechendes Merkmal dieser Choreografie. Diese führen aber nicht notwendigerweise zu mehr Spannung, sondern wirken eher hektisch und stressig, weil die Konzentration auf Erzählstimme und Tanz gestört ist.
Schließlich taucht von irgendwo her ein weiteres Lebewesen, eine Fliege auf. Verfolgt von Augen, Händen und gemeinsamen spielerischen Tanzschritten, gerät dieser ökologische Hoffnungsschimmer zu einer Darstellung nahe am Kitsch. Als „Aufruf zum Mut“, wie es in einem Pressetext zum Stück heißt, wird es wohl nur von wenigen empfunden. Keineswegs, weil mit der tatsächlichen Vermüllung unseres Lebens – und unserer Körper – mit Plastik nicht pointiert, romantisch oder humorvoll umgegangen werden könnte, sondern weil „Die Anderen“ („The Others“) das Thema verniedlicht und verharmlost. Als „Hörbuch mit Tanzuntermalung“ bezeichnet eine andere Zuschauerin wenig erbaut die Choreografie des mehrfach ausgezeichneten slowakischen Choreografen.
Noch keine Beiträge
basierend auf den Schlüsselwörtern
Please login to post comments