Jenseits von schwarz und weiß
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Noch das letzte Sesselchen im Münchner Nationaltheater war besetzt bei der Ballett-Matinée der Heinz-Bosl-Stiftung. Das ist traditionell so, seit Konstanze Vernon 1978 die Stiftung und diese Matinee ins Leben rief. Und bei der Professionalität der Studenten der Ballettakademie/ Musikhochschule München und der Juniorkompanie des Staatsballetts wird wieder einmal deutlich: Konstanze Vernons Saat für die Zukunft des Tanzes ist aufgegangen. Dafür hat die letztes Jahr Verstorbene jede Menge Preise erhalten. Nun ist in Aubing auch eine Straße nach ihr benannt.
Gefallen hätte ihr sicher der Matinée-Auftakt von Akademie-Leiter Jan Broeckx und der Pas-de-deux-Koryphäe Kirill Melnikov: Paare und Gruppen fliegen zu Prokofjews „Symphonie Classique“ nur so dahin. Wie in einem einzigen Fluß wird die ganze Basis des klassischen Balletts wunderbar tänzerisch vorgeführt, ohne auch nur eine Sekunde schulisch zu wirken. Klassisch-romantisches Handwerk zeigen die Mädchen dann in „Don Quijotes“ Traum von Dulcinea. Flavia Sarges Harada ist, bei charmant natürlicher Allüre, eine technisch souveräne Kitri/Dulcinea, Carolina de Souza Bastos eine feine lyrische Dryaden-Königin und Rikako Takase ein fußflinker musikalischer Cupido. Den phon-stärksten Applaus heimsten die dreißig Ballettratten ein für ihre blitzblanke Mazurka aus Petipas „Paquita“ (1881). Mit Hand angelegt bei der Einstudierung hat Meister-Choreograf Alexei Ratmansky, der dieses ab 1917 nur noch als Divertissement (Pas de trois und Grand Pas) getanzte Werk für das Bayerische Staatsballett mit Hilfe der Stepanov-Notation rekonstruiert hat (Premiere 13.12. im Münchner Nationaltheater).
Die Juniorkompanie präsentierte sich, ganz im Trend unserer Zeit, stilistisch vielseitig: neoklassisch in Balanchines „Valse Fantaisie“ (Musik: Mikhail Glinka). Alisa Bartels und Carl van Godtsenhoven als das Solo-Paar haben Solisten-Qualität. Durchaus schon versiert im modern-freien Stil bewegen sich 14 „Juniors“ in der gediegen zeitgenössischen „Lauda“-Suite von Norbert Graf und Simone Sandroni. Die Choreografie zu geistlichen Kompositionen der Renaissance, sogenannten „Lauden“, war konzipiert für die Münchner Kirche St. Michael, wo sie zwei Tage vor der Matinée uraufgeführt wurde. Was im kirchlichen Raum, obendrein mit Live-Begleitung von Gavin Bryars (auch musikalische Bearbeitung) und Ensemble, sicher eine angemessene meditative Atmosphäre entwickelte, wirkte auf der riesigen Opernbühne eher etwas langatmig ermüdend.
Richard Siegals „The New 45“ hat es wettgemacht. Das Stück zu verschiedenen Jazz-Musiken und einem typisch karibischen Harry-Belafonte-Song mischt grandios Elemente aus Show- und Street-Dance, aus Neoklassik, Calypso und Clownerie. Und Nicholas Losada, Shawn Throop, Nicha Rodboon und Nicola Strada, vier frisch am Staatsballett engagierte Ex-Mitglieder der Juniorkompanie, servierten damit einen hinreißenden, jazzigen, jet-schnellen und latino-flirtigen Rauschmeißer. Yeah!
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