Hemmungslose Lobeshymne
Sahra Huby wird mit dem Förderpreis Tanz der Landeshauptstadt München ausgezeichnet
Einen geeigneteren Ort für Sahra Hubys Tanzprojekt „Hey Körper?!“ als das „Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke“ in München kann man sich kaum vorstellen. Wenngleich die Figuren bzw. Gipsabgüsse von Skulpturen der griechischen und römischen Antike aus konservatorischen Gründen nur die Kulisse bilden, so dienen sie doch als Inspirationsquelle für die Darstellung und Wahrnehmung des menschlichen Körpers, dem Thema dieses Abends, das Huby auch auf ihrer anschaulichen Website thematisiert, wobei sie versucht unser Verständnis des menschlichen Körpers zu erweitern.
Das Stück, das am vergangenen Dienstag im Rahmen von „Explore dance – Fokus Tanz“ Premiere hatte, lebt von Interaktion, weshalb es gern auch in Schulen gezeigt wird – quer durch alle Altersstufen. Es ist eine aufregende Reise in den Körper, an der wir teilhaben können, die vom Äußeren ins Innere führt. Sahra Huby, die als freie Tänzerin nicht nur in München arbeitet, öffnet dem Publikum die Augen, indem sie uns eine alternative Sicht auf die Anatomie des menschlichen Körpers nahelegt. Grundlage ist zwar wie im regulären Biologie- oder Anatomieunterricht das Knochenskelett, das System von Muskelsträngen und deren Funktionen. Was sich aber davon unterscheidet, ist Hubys Sicht und damit die Darstellung des Körpers. Entgegen der Norm, wie wir sie von Abbildungen des Körpers im Schulbuch oder Medizinlexikon her kennen, stellt die Tänzerin auch Formen des Körpers durch ihre Performance zu Diskussion, die wir vielleicht nicht immer als ästhetisch ansprechend empfinden, sprich: etwas ausgeleiert, dicklich sind und damit auch ein Stück weit asymmetrisch. Genau darin liegt der Reiz und auch die Kunst, dem Körper eine andere Ausstrahlung und Individualität zu verleihen. Das gelingt Sahra Huby ganz besonders, wenn wir hören und sehen, wie Knochen knacken, verstärkt durch elektronische Klänge, die perfekt abgestimmt sind auf die fast breakdanceartigen Bewegungen der Tänzerin. Fließende, rauschende Geräusche, die den Blutfluss, der durch die Muskelstränge und Adern verläuft, lautmalen korrespondierend zur Bewegung.
In diesem Stück geht es aber auch darum, wie sich ein Körperteil als Bild, als Wetterkarte, als Landschaft, als Flußsystem im Verhältnis zum gesamten Körper, bis hin zu einem Teil der Gesellschaft abbildet. Dabei zeichnet die Choreografin neue Landkarten für andere Perspektiven und kreiert neue Terminologien für einen spielerischen und vielfältigen Umgang mit Körpern. Aufschlußreich ist dabei auch die Biografie eines Körperteils, den man zeichnerisch aufs Papier oder tänzerisch auf die Bühne bringen kann. Biografie bedeutet auch Rückblick, ist hier bei der Darstellung des Körpers von Bedeutung und steht auch für das seelische Abbild der Agierenden. Wie abwechslungsreich und kreativ „Anatomieunterricht“ sein und mit allen Sinnen erfahrbar gemacht werden kann, zeigt sich am jubelnden Beifall, der sich nach 40 Minuten dieser spannungsgeladenen Lektion entlädt. Eine Lektion Biologie- und Anatomieunterricht, die Schule machen sollte!
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