„Stations“ von und mit Louise Lecavalier

„Stations“ von und mit Louise Lecavalier

Mikrobeweglichkeit

Auftakt einer fünfteiligen Tanzperformancereihe mit Louise Lecavalier in München

Energie und Diffiziles verbindet die kanadische Tänzerin Louise Lecavalier auf faszinierende Weise. In ihrer neuen Soloperformance „Stations“ entfaltet sie ihre ganze Kraft. Eine bessere Eröffnung von depARTures hätte es nicht geben können.

München, 15/10/2020

Die Faszination von Energieflüssen durch Mikrobeweglichkeit lässt sich gewiss nicht ins Unendliche steigern. Doch sobald Louise Lecavalier die Bühne betritt, wird sie zum Magneten. Zu einem entfesselten, quecksilberartig zeitlos dahingleitenden Wesen in einem wandlosen Aquarium aus Licht (Lightdesign: Alain Lortie). Selbst wenn gerade nur isolierte Bereiche ihres Körpers in Aktion sind, ist sie der Inbegriff von Tanz total.

Sich mit vollem Einsatz zu verausgaben, ist seit mehr als 35 Jahren das Markenzeichen dieser in ihrer dynamischen Eigenwilligkeit nicht aufzuhaltenden Tanzikone Kanadas. Fast 20 Jahre lang war sie Frontfrau und Muse der revolutionären Kompanie La La La Human Steps um deren Gründer Édouard Lock. Eigene Produktionen der Powertänzerin – die sie nach wie vor ist – sorgen bis heute für Furore. Definitiv niemand sonst hätte die Gastspielreihe depARTures, die diesmal der innovativen Tanzszene Québecs gewidmet ist, in solch krass minimalistischer und reif strukturierter Konzentriertheit eröffnen können.

Mit ihren 62 Jahren stellt Lecavalier in ihrer jüngsten Soloperformance „Stations“ – ein Verweis auf Jahreszeiten und Himmelsrichtungen – eine abendfüllende Variationsflut vor: an hyperpräziser Feinmotorik, subtiler einbeiniger Balanceakrobatik und enormer Ausdrucksbreite. In schwarzem Outfit und mit wasserstoffblonder Mähne zerbrechlich und unzerstörbar zugleich. Nach den zuletzt in München gezeigten Duetten „So blue“ und „Battleground“ frappiert Lecavaliers durchtrainierte Zartheit einmal mehr. Diesmal in einer berührend einsamen Schlacht.

Sie weiß den Fokus auf flinke, kleinstmobile Beinarbeit zu lenken. Dann verschiebt sie diesen auf Kopf und Oberkörper, welche sie mehrfach extrem nach vorne und hinten krümmt. Immer aber ruht besonderes Gewicht auf der Intensität und dem Raum-Körper-Verhalten ihrer Arme und der nicht selten flattrigen Hände. Sich wiederholende Bewegungsbausteine speisen die abstrakt durch vier Abschnitte fließende emotionale Fülle.

Stets aufs Neue lässt sich Lecavalier von der rockig-jazzigen Klangatmosphäre elektrisieren (Musik: Saxofonist Colin Stetson u.a.), durch die sie so mühelos wie ein unter Strom stehendes Pixelkonglomerat driftet. Solche Befindlichkeitsbilder nehmen einen assoziativ gefangen.

Auf Arte am 19.10. (0:10 Uhr) zu sehen: die Dokumentation „Kriegerin des Tanzes“ über Louise Lecavalier

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