Spannung und Entspannung

Fotoausstellung und Performance von Stefan Maria Marb im Gasteig München

„Après – eine Verwandlung“: Geradezu metaphysisch irrlichtert Stefan Maria Marbs gekrümmt-verdrehter Körper durch Stefan Hagens großformatige Fotografie-Serien. Es ist sein Butoh-Ich: nackt, fragil, voll zarter Innerlichkeit bis hin zu expressiver Wildheit.

München, 18/12/2018

Geradezu metaphysisch irrlichtert Stefan Maria Marbs gekrümmt-verdrehter Körper durch Stefan Hagens großformatige Fotografie-Serien. Es ist das Butoh-Ich des Münchner Performers: nackt, fragil, voll zarter Innerlichkeit bis hin zu expressiver Wildheit. Ein im Sinn der aus Japan stammenden Körperkunstform radikal-reduziertes Alter Ego, das seit nunmehr 30 Jahren seine emotionale Schlagkraft und hohe ästhetische Wirkung aus dem Verlauf der jeweiligen Performance gebiert.

Für Marb bedeutet jeder künstlerische Akt – sei es in einer Tiefgarage, auf einer Bühne oder draußen in der freien Natur – seelische und körperliche Verwandlung. Die mag mal magisch aufgeladen, mal verstörend irritierend sein. Transzendenz zwischen Umwelt und Architektur. Diese existenzielle Erfahrung über drei Jahrzehnte bildlich einzufangen und in die eigene fotografische Auseinandersetzung mit Landschaft zu integrieren, hat sich der seit 1988 in New York lebende Fotokünstler Hagen zur Aufgabe gemacht. Seine Bilder, mit bewegter Kamera, unter Langzeitbelichtung oder bis zur Verschwommenheit gebürstet, sind vereinnahmend schön.

In der Gasteig-Schau „Après – eine Verwandlung“ werden sie durch zwei Videoarbeiten von Sabine Scharf ergänzt. Dort sieht man den Welten-Tänzer Marb inmitten einer Pferdekoppel agieren oder kann sich auf die Verfremdung seines zeitlupenhaft tanzenden Körpers inmitten der Wüste Nevadas einlassen. Mehr als etwas Muße zum Verweilen braucht es dazu nicht. Kombiniert mit einer Live-Aufführung gewinnt die im trockenen Ziegelbauambiente vor dem Carl-Orff-Saal inszenierte Werkretrospektive allerdings zusätzlich an Dimension. Und das auch dank einer unerwartet findigen Lichtregie (Andreas Meichelböck).

Plötzlich beherrscht kreative Stimmung das Foyer. Stefan Maria Marb betritt es über die Terrasse im ersten Stock. Eingehüllt in Pelz und eine zerzauste Perücke. Wie ein Derwisch dreht sich der Mann zu den Klängen eines kleinen, tragbaren Rekorders. „Just a perfect Day“ tönt die softige Stimme. Als Marb sich über die Brüstung lehnt, leuchtet sein Gesicht kreideweiß. Zielstrebig und zugleich ohne vorhersehbare Richtung bahnt sich der Tänzer seinen Weg durch das sehhungrig an seiner Gestalt klebende Publikum.

Musikalisch übernimmt die zierliche, improvisationsstarke Japanerin Masako Ohta seine Begleitung. Erst kauert sie wie ein Bewegungsjäger hinter einem indischen Harmonium. Dann nutzt sie das Plexiglas des Treppengeländes, um Marbs Butohwesen, das immer wieder zu den Fotos an der Wand driftet oder in einem der Sessel emotional gebeutelt wird, nach unten zu geleiten. Der Weg aus Spannung und Entspannung, an dessen Ende sich Marb Schuhe, Mantel und Jacketjacke vom bleichen Leib geschält hat, endet zu John Cages Klavierstück „In a Landscape“. Ausstellung und Performance sind durchweg eine runde Sache. Nicht verpassen: die Wiederholung am 21. Dezember.

 

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