Auf dem Weg in neue Höhen
Die Heinz-Bosl-Stiftung mit ihren Herbstmatinéen im Nationaltheater
Im Rahmen der BallettFestwoche München zeigte auch der Nachwuchs sein Können
„Süß!“ – das muss man immer sagen, wenn die Kleinsten mit ihren disziplinierten Schritten und Armhaltungen die beliebten Matineen der Ballettakademie der Hochschule für Musik und Theater München eröffnen. Mit dem Hinzukommen der mittleren Jahrgänge bilden sich größenmäßig gestufte Reihen, und bald wird es interessant, wenn die angehenden Tänzerinnen und Tänzer in Bewegung ihre Präsenz und musikalische Phrasierung zeigen. Dieses Mal hatte Jan Broeckx, zugleich Leiter der Ballettakademie, ein „Defilée“ für die Studierenden aller Klassen zu Filmmusik von Woyzeck Kilar geschaffen. Dessen allmählicher Aufbau, zu dem das Team aller Lehrenden beigetragen hatte, führte zu sicheren Double-Tours der aktuellen Absolventen und einem schönen Schlussbild.
Ivan Liška leitet das Bayerische Staatsballetts II, das in München auch als Junior Company bekannt ist, und in der Nachfolge Konstanze Vernons seit 2013 die Heinz-Bosl-Stiftung. Deren Gründerin beerbte er auch als Moderator der Matineen im Nationaltheater und zeigte sich erfreut, dass dieses trotz strahlenden Sonnenscheins wieder ausverkauft war – ein Zeichen für den hohen Stellenwert des Tanzes in der Kultur Münchens. Liška wies erneut darauf hin, dass das Bayerische Staatsballett II, das bald, wie bei anderer Gelegenheit zu hören war, Bayerisches Jugendballett heißen wird, eine Kooperation von Ballettakademie, Bayerischem Staatsballett und der Heinz-Bosl-Stiftung ist. Es verschaffe seinen Talenten durch Gastauftritte von Ingolstadt bis China sowie die Mitwirkung in Vorstellungen der Hauptkompanie wertvolle Bühnenpraxis. Seit seiner Gründung prägt es auch die Präsentationen des tänzerischen Nachwuchses – im Volksmund die „Bosl-Matineen“ – maßgeblich mit.
Diese begann dieses Mal mit „Avedis“, das seinen Titel der Vertonung zentraler Texte der armenischen Liturgie durch Sakis Gazaryan verdankt. Dazu hatte Norbert Graf ein melancholisches Duett choreografiert. Sarah Schäfer und Benjamin Balacs von der Junior Company führten es schön aus, indem sie technisch und im Ausdruck stark die Langsamkeit gut füllten. Es folgte „Storm“ von Kinsun Chan, der seit 2015 jedes Jahr ein neues Stück für die Ballettakademie choreografierte. Simon Boley aus der Grundstufe stand mit einem Luftballon vor 12 TänzerInnen mit schwarzen Mänteln, die mit ihren Schirmen in der Bedrängnis durch Sturm und Regen interessante Formationen bildeten. Ein Trio, Paare, Quartette und Sextette wechselten, zeigten dynamisch die Energie, mit der sich moderne Menschen zu den Elementen stellen, oder bildeten im Wehen ihrer Formationen den Wind ab, an der Spitze der kleine Junge mit einem Papierflugzeug. Zu „Weather One“, repetitiver Minimal-Music von Michael Gordon, bewies Kinsun Chan seinen Reichtum an Bewegungsfindung und führte seine Tänzer dazu, dass sie mit gutem Raum- und Partnerbezug in Ausdruck, Rhythmus und Musikalität überzeugten.
Den zweiten Teil eröffnete „La Ventana“ von August Bournonville, das Lucille Grahn schon 1856 nach München brachte. Beim ‚dänischen Petipa’ traten die Männer aus dem Schatten der Ballerinen, und Ivan Liška zitierte ihn: „Die Beine sind der Rhythmus, und die Arme sind die Melodie.“ Das schöne Divertissement gab zwei Solistinnen und einem Solisten sowie vier Paaren der Junior Company Gelegenheit zu zeigen, dass sie auch den schwierigen Stil der dänischen Schule vielleicht noch nicht im originalen Tempo, wohl aber sauber und sicher tanzen können. Danach zeigten Mittelstufe und Bachelorstudierende der Ballettakademie „Russische Melodien“. Mit ihnen schuf Dmitri Sokolov-Katunin die Atmosphäre eines russischen Volksfestes, unter dessen ritualisierter Melancholie vitale Lebensenergie steckte, die schließlich in Ausgelassenheit und charakteristische Kabinettstückchen ausbrach. Der anschließende Pas de deux aus „Cinderella“, choreografiert von Kirill Melnikov, verriet die große neoklassische Erfahrung des früheren Ersten Solisten, mit der er feinsinnig gestaltete, wie bereits die erste Begegnung von Prinz und Cinderella beide aneinander bindet. Mit Violetta Keller und Stanislaw Wegrzyn stellten sich zwei Studierende vor, die über alle technischen Mittel und die nötige Darstellungskraft verfügten, um das Zusammenkommen dieses Paares interessant zu machen. Als starker Rausschmeißer fungierte „Run“ von Jan Broeckx, eine Kurzchoreografie, die mit dem gemeinsamen Rhythmus so vieler Körper sich oft magisch verschiebende Formationen bildete, die wie Energiefelder wirkten.
So bot diese Bosl-Matinee, auch wenn dieses Mal keines ihrer Glanzstücke von Balanchine, van Manen, Duato oder Kylián gezeigt wurde, einen erfrischenden, zuversichtlich stimmenden Blick auf die Ausbildung nachwachsender Tänzerinnen und Tänzer.
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