Jenseits von schwarz und weiß
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Seit dem Tod der großen Pina Bausch gilt Sasha Waltz als Deutschlands führende Tanztheaterfrau. Die 50jährige Waltz hat sich auch mit grenzgängerischen Projekten wie Performances und Installationen einen Namen gemacht. Und in den letzten Jahren choreografierte sie für große Opernhäuser zwischen Berlin, Frankfurt, Paris und Brüssel abendfüllende Tanz-Opern, unter anderen Berlioz' „Roméo et Juliette“, Monteverdis „Orfeo“, Wagners „Tannhäuser“, Toshio Hosokawas „Matsukaze“, Pascal Dusapins „Medea“. Ihre Leidenschaft für dieses Genre entdeckte sie mit ihrer ersten Opernarbeit, Henry Purcells „Dido und Aeneas“ (1688), die 2005 im Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg uraufgeführt, seitdem in 15 Ländern mit über 50 Vorstellungen gefeiert wurde. Und jetzt in der Münchner Ballettwoche auch das Publikum im Nationaltheater zu Jubelstürmen hinriss.
Spektakulär der Beginn: In einem auf hohem Gerüst installierten gläsernen, fast die Bühnenbreite einnehmenden Schwimmbecken verlustiert sich die Jeunesse dorée von Karthago. In feiner Garderobe hüpft man rein, taucht, paddelt delphin-artig elegant und umschlingt sich freizügig paarweise. Eine ganze Weile so. Zwei entbrennen in echter Liebe: Karthagos Königin Dido und der Troja-Überlebende Aeneas, auf Irrfahrt und Heimatsuche. Die Intrige einer Dido feindlich gesinnten Zauberin erinnert Aeneas an seine Pflicht zum Weiterzug nach Italien. So nimmt er Abschied von Dido. Aus Kummer begeht sie Selbstmord. Diesen Grundkonflikt muss man vorab kennen. Sonst kann man der Handlung nur schwer folgen. Solisten und Chor des Vocalconsorts Berlin singen zwar schön, aber auch für englisch-fitte Zuschauer ist der Text schlichtweg nicht zu verstehen (fürs Nationaltheater wären Microports hilfreich gewesen, zumindest Overhead-Texte). Akustisch total unverständlich auch, was die „Erzählerin“ Charlotte Engelkes mitteilen will.
Kommt hinzu, dass Waltz es einem auch nicht gerade leicht macht: Die singende Dido hat zwei tanzende Dido-Schatten; die Gesangs-Hexe dito. Und man rätselt, wer von dem Intrigen-Personal als gefakter Merkur den geplagten Aeneas nach Rom beordert. Abgesehen davon gelang es Waltz, den Chor geschickt in die Choreografie zu integrieren. Die Chor-Mitglieder waren mit merkbarem Enthusiasmus bei der Sache: sei es, um die partylustige (von Christine Bürkle) bunt kostümierte Karthago-Gesellschaft aufzufüllen, sei es um mit dem Auf und Ab ihrer am Boden liegenden Körper Wellen darzustellen. Im Stück, dritter Akt, machen die Matrosen ja schon die Schiffe für Aeneas bereit. Dazu hatte Waltz den witzigen Einfall, zwei Tänzer an Seilen und Rahen wie Seeleute bei hohem Wellengang luftig auf- und niederschaukeln zu lassen. Womit sie gleichzeitig die ausgefeilte barocke Bühnen-Maschinerie zitiert.
Waltzens Choreo-Inszenierung ist insgesamt dicht und lebhaft bewegt, durchweg in einem schon Standard gewordenen locker-weich schwingenden zeitgenössischen Stil. Wobei man nicht immer weiß, warum Tänzer reihenweise über den Aeneas-Sänger klettern, oder sich am Boden wälzen; warum sich Arme synchron fächerartig öffnen und Pulks von Darstellern mit Flatter-Händen wedeln. Aber gleichviel, im barocken Theater gab es sicher auch viel rein Dekoratives dieser Art. Und neben den nur schmückenden, die Musik füllenden Bewegungselementen gibt es bei Waltz auch dramatisch sinnvolle Momente, wie am Ende, wenn Dido und Aeneas mit verlangend ausgestrecken Armen zueinander streben, aber von den jeweiligen Gefolgsleuten zurückgehalten werden. Der Akademie für Alte Musik, die gerade ihr 30jähriges Bestehen feierte, hat man sehr gerne zugehört.
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