Feuerprobe bestanden

Karl Alfred Schreiners „Dornröschen“ am Münchner Gärtnerplatztheater

Volkstümliches Musiktheater zu machen – das war dem im Herbst 2012 ans Münchner Gärtnerplatztheater berufenen Intendanten Josef E. Köpplinger anzunehmender Weise vom Bayerischen Kunstminister aufgetragen worden. Mit den Gärtnerplatz-Musiktheaterproduktionen wurde dieser Auftrag bisher erfolgreich erfüllt.

München, 28/01/2013

Volkstümliches Musiktheater zu machen – das war dem im Herbst 2012 ans Münchner Gärtnerplatztheater berufenen Intendanten Josef E. Köpplinger anzunehmender Weise vom Bayerischen Kunstminister aufgetragen worden. Mit den Gärtnerplatz-Musiktheaterproduktionen wurde dieser Auftrag bisher erfolgreich erfüllt. Köpplinger hat offensichtlich nicht vor, sein Haus zum Konkurrenten der Bayerischen Staatsoper hochzustemmen. Auch Karl Alfred Schreiner, Köpplingers Hauschoreograf in Klagenfurt und hier erstmals Tanzchef, hat sich ganz auf die Entertainment-Linie seines Intendanten eingestimmt. Schreiners zeitgenössisch gewendete Version des Tschaikowsky-Petipa-Klassikers „Dornröschen“ von 1890 ist für jeden Zuschauer nachvollziehbar. Und hat Witz. In der Premiere in der Münchner Reithalle wurde jedenfalls oft gelacht.

Die Königin, mit hochaufgetürmter Aristokraten-Coiffüre, ist von schlanker Statur. Die hoffnungsvolle Wölbung ab der Taille hat – ihre Untergebene. Es ist Carabosse, ursprünglich die böse Fee, jetzt im Schwarz der Hofbediensteten. Ein paar heftige Gesten zwischen den beiden Frauen, Schmuck und Geld wechseln die Besitzerin, und auch ohne Programmheft weiß man: die unfruchtbare Königin kauft sich ein Kind. Und wie oft im richtigen Leben, bereut die wahre Mutter, will ihre Tochter Aurora zurück.

Ganz in der Art des schwedischen Modern-Dance-Choreografen Mats Ek, eines radikalen Klassiker-Wenders (sein „Dornröschen“ von 1996 wird zum Junkie), hat Schreiner den zaristischen Klassiker neu gedeutet: realitätsnah ernsthaft, aber immer noch im Mantel eines skurrilen Märchens.

Tänzelnde Hofdamen, eitel stolziernde Minister, aufgeregte Köche, das gesamte Personal fegt da in Action- und Comic-Manier über die Bühne. Und erst die vier Bewerber um die Hand von Prinzessin Aurora! Bei Marius Petipa sind es lediglich genormt-fade Ballerinen-Halter für Auroras Balance-Akte. Hier tanzen schräge Typen an, wie man sie aus John Crankos neoklassischer Ballettkomödie „Der Widerspenstischen Zähmung“ kennt. Und Rita Barao Soares, seit zehn Jahren exzellente Tänzerin im Ensemble, wandelt die bei Petipa gefügige Aurora nun zum „widerspenstigen Röschen“. Am Ende zur selbstbestimmten jungen Frau. Denn im 100jährigen Schlaf – den bewirkt hier die rächende Carabosse mit vergifteten Rosen – erträumt sich nämlich Aurora selbst ihren Prinzen.

Erzählen kann Schreiner. Aber spätestens in dieser langatmigen Traumsequenz, zeigt sich, dass sein klassisch grundiertes, modern schwingendes Schrittmaterial (noch) begrenzt ist. Allzu monoton in der Bewegung huschen schwarze Traumschattenfiguren um das aufeinander zustrebende Liebespaar. Auch der sehr zarte, aber sich im Vokabular wiederholende Pas de deux Auroras mit Prinz Désiré – bestens besetzt mit dem tänzerischen lyrischen Davide Di Giovanni – wäre, aus obigem Grunde, besser, wenn um einiges gekürzt.

Dafür ist Schreiner ein ausgesprochenes Komödientalent. Was sich bestätigt, wenn er später in die Traumsequenz Aschenputtel, Rotkäppchen, den gestiefelten Kater und und und in erotisch durcheinandergewürfelten Beziehungen hineinmixt. Eine Märchen-Groteske, die, wenn auch ein bisschen klamaukig, als surrealer Traum der Protagonisten durchaus Sinn macht.

Die Münchner Feuerprobe hat Schreiner auf jeden Fall bestanden. Das Tanzensemble genießt sichtlich das ausgelassene komödiantische Spiel. Alfred Mayerhofer liefert dafür schon das inspirierende Kostüm-Wohlgefühl. Julia Müers stilvoll minimalistische und bewegliche Schloss- und Parkszenerie lässt die eher dröge Reithalle (eines der Ausweichquartiere während der Gärtnerplatz-Sanierungsphase) vergessen. Und Chefdirigent Marco Comin hat die verschlankte Tschaikowsky-Partitur in Tempi und Atmosphäre hörfein auf die Choreografie hin abgestimmt. Dass der Abend zu fast hundert Prozent farbig, zügig und temperamentvoll abläuft, ist auch ihm und dem Staatsorchester am Gärtnerplatz zu verdanken. Ballettomanen kommen bei Karl Schreiner sicher nicht auf ihre Kosten. Aber sein „Dornröschen“ ist bestens geeignet auch für kleine Zuschauer, nicht zuletzt für eingefleischte Tanzmuffel.

Die nächsten Vorstellungen von „Dornröschen“ in der Münchner Reithalle bis 2. Februar, jeweils 19 Uhr 30. Am 3. 2., 18 Uhr
 

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