„Tanz dahoam“ der Tanzcompany des Regensburger Theaters: Leander Veizi und Vincent Wodrich

Kulturevent zwischen Frust und Lust

„Tanz dahoam“, ein neues Format der Tanzcompany des Regensburger Theaters

Schwieriges Raumkonzept und wenig Tanz bei einer Benefizveranstaltung in der ehemaligen Theresienkirche.

Regensburg, 04/10/2025

Bläulich-weiße Leuchtstoffröhren, die zwischen dicht gedrängten Menschen Lichtspuren am Boden der Kirche ziehen. Heftiges Windrauschen, das nach und nach von monoton dröhnenden Sounds überlagert und verdrängt wird. In den Händen zweier Tänzer bewegen sich die Leuchtstoffröhren inmitten der Zuschauerpulks, laufen nach links und rennen nach rechts zu den Beichtstühlen, in denen sie nach Vergebung suchen. Eine Tanzperformance, eingerahmt von perfekt gesungenem Shoo-bi-doo-Pop und einer sozialpsychologischen Aktion, man könnte auch sagen Studie rotgekleideter Menschen, markiert als „Herdentiere“. 

„Tanz dahoam“, ein neues Format der Tanzcompany des Regensburger Theaters, die sich damit „zum Greifen nah und ganz neu in der Stadt verwurzeln“ will, erlebte am letzten Wochenende eine stürmisch gefeierte Premiere in der aufgelassenen Theresienkirche in Kumpfmühl. Worauf sich die Begeisterung genau bezogen hat, ist allerdings einem größeren Teil des Publikums gar nicht wirklich klar geworden. 

Die anfänglich von den Besuchenden frei gehaltene, offen einsichtige Tanzfläche ist nach dem Auftritt des Spatzenquartetts perdu. Die großartigen Sänger fordern das Publikum mehrfach auf bis auf beinahe Armlänge näher in Richtung Altarraum zu kommen, wo sie vor der beeindruckenden Lichtinstallation von Audionaut alias Max Zeller Aufstellung nehmen. 

Ein Genuss für die, die es mit oder ohne Ellbogen geschafft haben im Umkreis des Männerquartetts einen Platz zu ergattern und sich dem harmonischen, mehrstimmigen Gesang hingeben zu können. Im hinteren Bereich des Kirchenraums geraten die schönen Stimmen allerdings mehr und mehr zu einem schrillen, verzerrten Klangbrei. Noch schwieriger wird es fürs Publikum, als Leander Veizi und Vincent Wodrich hinter dem Lichtvorhang hervortanzen, denn ihre Performance ist nur für eine Handvoll Zuschauender im direkten Umfeld erlebbar. Auch als sich die beiden Tänzer zur Mitte des Raums vorarbeiten ist die Sicht für zahlreiche Besucher erheblich bis vollständig eingeschränkt. Das setzt sich im hinteren Bereich der Kirche fort, als Wodrich und Veizi im schwankenden Licht eines Leuchters um sich kreisen und mit einem spannungsvollen Duett ihren Part abschließen.

Bevor das Spatzenquartett noch einmal tief Luft holt, schlüpft eine Gruppe von Kopf bis zu den Füssen rot gekleideter Menschen zwischen Wand und dem Lichtvorhang in den großen Raum. Die Lichtinstallation betont den einstigen sakralen Charakter des Chors und trennt ihn vom übrigen Raum. In einer Mittelgasse, die sich bildet, wandern, laufen, schlendern und rennen diese entindividualisierten Personen auf und ab. 

Das von Paula Dischinger entwickelte Experiment wirft die Frage auf, wie sich Einzelne in einer Gruppe, einer Herde verhalten, wenn sich jemand an die Spitze setzt. Oder wenn eine die Richtung wechselt, stehen bleibt oder plötzlich – ein wenig wie bei Monty Python mit ihrem Sketch „Ministerium der albernen Gangarten“ – eine seltsame Form der Fortbewegung einschlägt. Bei dieser Aktion, die auch von einem psychologischen Forschungsinstitut hätte ausgedacht sein können, kann mehr Publikum zuschauen und sich Gedanken machen, da der Raum in voller Länge genutzt wird. 

Viele empfinden den Abend als ein rechtes Spektakel, ein licht- und klangstarkes Event, das zahlreichen weinschlürfenden Kulturafficionados auch Spaß macht. Dennoch verlassen nach dem unerwartet frenetischen Schlussapplaus andere eher unzufrieden die Benefizveranstaltung. „Zum Greifen nah“ geht anders ...

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