Synchron getanzte Bankette
Gabriel Pitonis Tanzstück „Next To Me“ im Regensburger Antoniushaus
Wagner Moreiras Choreografie „Passagen“ in der Regensburger Basilika St. Emmeram
Schlagartig bricht die stille, konzentrierte Aufmerksamkeit zusammen, entlädt sich in einem Sturm begeisterter Rufe, Schreie und aufbrausendem Applaus. Sichtlich beglückt sammeln sich die Mitglieder der Tanzcompany des Theaters Regensburg und der Community Tanz vor dem Chor der Basilika St. Emmeram und genießen die Begeisterung des Publikums. Im schattig-kühlen Eingangsbereich vor den Kirchenportalen setzt sich die Premiere von Wagner Moreiras Choreografie „Passagen“ anschließend mit intensiven Gesprächen und Begegnungen zwischen den Tanzenden und Besuchenden noch eine ganze Weile fort.
Etwa eine Stunde zuvor begann die Tanzperformance an diesem ungewöhnlichen Ort mit kaum wahrnehmbaren Orgelklängen. In starkfarbenen Anzügen gekleidete Tänzer*innen tauchen im verglasten Galeriegestühl im Chorraum, aus kaum beleuchteten Seitengängen und auf der Empore auf. In schnellen Sprüngen und Laufschritten durchmessen sie den Mittel- und die Seitengänge, stoppen abrupt, verharren oder wenden sich tanzend den dicht besetzten Bankreihen zu. Besucher*innen wenden ihre Köpfe, blicken zur Empore hoch, hinter der Körper und Gliedmaßen auftauchen. Ein Tänzer schwingt sein Bein über die Brüstung, ein kurzer Atemzug durchzieht den Kirchenraum.
In die eintretende Stille treten Tanzende auf der Kanzel und im Chor für eine Begrüßung ans Mikrofon und laden das Publikum zweisprachig zum Rumlaufen und Mitgestalten ein. Nur wenige nehmen zunächst die Aufforderung wahr, verändern Standorte und Perspektiven in dem üppig barocken Kirchenraum. Dieser kann durch die Dynamik und den tänzerischen Ausdruck spürbar anders wahrgenommen werden. Dem schnellen, musikalisch von leisen Klängen begleiteten Beginn folgt eine längere Passage, die von langsamen Bewegungen gekennzeichnet ist. Mit Gesten, die an Kreuz spenden, Segnung und Anflehungen erinnern, knüpfen die Tanzenden einzeln und in kleinen Gruppen an die spirituelle und rituelle Bedeutung des Gotteshauses an.
Im Paartanz, vorwiegend vor den Stufen zum Altarraum, lassen sich Annäherungen und Begegnungen bis hin vielleicht zur Vermählung oder Taufe ebenso wahrnehmen, wie Sorge um Einsame, Ärmere und Leidtragende. Gehalten vom Partner hängt der „Gekreuzigte“ kopfunter im so leicht wirkenden, packenden Tanz, der mit der dramatisch werdenden Musik wieder an Tempo und Spannung zunimmt.
Die Musik, bis in feinste Nuancen von Johannes Buhl an der Orgel exzellent ausgestaltet und ausgekostet, gibt immer wieder Anstoß für synchrone Formen und Figuren. Diese bilden auch Bezüge zur reichhaltigen architektonischen Umgebung mit Durchlässen, durch die Tanzende schlüpfen können und himmelwärts strebenden Säulen, die den Blick zu den üppigen Deckengemälden freigeben. Sprache, Wörter, mit denen sich die Tanzenden von Bank zu Bank an die Besucher wenden, erinnerten an liturgische Verkündigung, Gebete oder Lesungen.
Damit wird eine weitere Passage eingeleitet. In dieser teilt sich das Publikum auf und folgt Ensemblemitgliedern nach nebenan in eine Kapelle, in Altarräume, ins historisch bedeutende Westwerk und nach draußen in den Vorraum. Dort erzählen und tanzen sie dem Gefolge kleine persönliche Geschichten aus ihrem jeweiligen Leben. Ein Part, der zwar dem Publikum Bereiche des beeindruckenden Bauwerks zusätzlich erschließt, aber auch einigen Besuchenden missfällt und diese zum Gehen veranlasst. Zurück im nunmehr lockerer besetzten Hauptschiff der Basilika folgt eine eindrucksvolle Gruppenpassage zur „Passacaglia“ von Johann Sebastian Bach mit ihrem prägnanten Ostinatothema. Diese löst sich erneut auf und die Tänzer*innen durchmessen die weiten Räume der Kirche mit leidenschaftlichem Pathos und großer Dynamik.
Ihre farbigen Jacketts haben sie dazu auf der Stufe zum Chor abgelegt, tanzen jetzt in weißen Hemden. Menschen, die sich zunehmend in den Gängen bewegen, um besser beobachten zu können, werden auf diese Weise Teil der Choreografie. Bei Musik von Olivier Messiaen, Improvisationen und einer Komposition des Organisten „Nassance dans le Passage“ springen die Tanzenden über Bänke, setzen sich neben Zuschauer*innen und schaffen eine Unmittelbarkeit und Nähe, wie sie sonst kaum erlebbar ist.
Weitere Vorstellungen: 29. Juni (16 Uhr), 2. Juli und 10. Juli (jeweils 19.30 Uhr)
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