„Ode an die Dinge XL – Tanz der Vielen“ von Laura Saumweber, Paula Niehoff und Martha Kröger

WER GEHÖRT HIER WEM?

Laura Saumweber, Paula Niehoff und Martha Kröger zeigen mit „Ode an die Dinge XL – Tanz der Vielen“ ein partizipatives Tanztheater im schwere reiter

Gehören wir unseren Dingen - oder sie uns? In der generationenübergreifenden Performance werden Objekte zu seelenvollen Begleitern, Erinnerungsträgern und Impulsgebern für ein tänzerisches Spiel zwischen Zugehörigkeit, Besitz und Bewegung.

München, 24/06/2025

Von Kristina Isabella Trněný

Bunte Kinderzeichnungen schmücken die Wand des Foyers im schwere reiter. Auf einer weiteren offenbart eine Videoprojektion deren Entstehungsgeschichte. „Wir möchten Menschen verbinden“ und vor allem die, die oftmals versteckt sind, „sichtbar machen“, kündigt Martha Kröger an. Dabei spricht sie auch für ihre zwei Produktionskolleginnen Paula Niehoff und Laura Saumweber, welche bereits drei Jahre zuvor mit „Ode an die Dinge“ (UA: 29.04.22, HochX) in München Premiere feierten. Nun folgt die erweiterte Version: „XL – Tanz der Vielen“. Partizipativ, generationenübergreifend, in Zusammenarbeit mit der Refugio Kunstwerkstatt. „Tanz sein, Körper sein, Musik sein“ – Worte, die dem Workshop wie ein stiller Puls innewohnen.

Dinge mit Seele

Ein einzelner Spot beleuchtet ein Vintage-Telefon. Ein Klingeln, eine Stimme kontempliert über Liebe, Nutzen und Abneigung gegenüber Dingen. Fünfzehn Workshopteilnehmende treten mit je einem persönlichen Objekt auf die Bühne. Ball, Notizheft, Schirm. In leisen Körper-Ding-Duos werden Beziehungen spürbar. Dann Dunkelheit. Lediglich fluoreszierende Punkte auf dem Boden erinnern unter Begleitung von knisternden Sounds an Vergangenes. Plötzlich erscheint eine mit Mobiliar und Hut überladene Gestalt im Fellmantel. Sie trippelt durch den Raum, verliert Gepäck. Nach mehreren Verwandlungen und Krims Krams-Snack scheidet das Mantelwesen unter sichtlicher Anstrengung eine Hose aus – eine performative Verdauungsszene, die das Publikum amüsiert auflachen lässt. Als es verschwindet, werden Performer*innen wieder eins mit Alltagsgegenständen. Eine Porzellantasse zittert, ein Hocker rollt durch die Luft – und im zugehörigen Menschenkörper vibriert die gleiche Energie. Paula Niehoff manövriert Dinge umher, die jeweils verbundenen Körper begleiten stets.

Spielplatz der Unordnung

Dann übernimmt Laura Saumweber das Kommando zum großen Umbau und gibt alles, um Mensch und Objekt voneinander zu trennen. Zwei Gruppen entstehen, zwei Spots: während sich die einen einer choreografierten Sequenz von Armbewegungen annehmen, wird im zweiten Lichtkegel gestampft, gesprungen, zu Boden gegangen. Chaos wächst, Gruppen überschneiden sich, neue Formationen. Ein schrilles Telefon unterbricht – und scheint selbst in die Körper zu fahren. Erneutes Auflachen. Junge Stimmen berichten vom Verhältnis zu Unordnung. Es folgt ein Duo Saumwebers und Niehoffs: anfangs nonverbaler Konflikt zwischen Chaos und Ordnung wird zu freudvoll spielerischem Tanz mit Dingen. Eine menschliche Transportkette lässt Besen, Schallplatte, Kessel verschwinden. Nun ein Trio: alleinig verbliebene Kaffeemühle, Körper und mahlende Performerin, woraus schließlich eine Gruppenchoreografie entsteht.

Ein zweisames Kaffeekränzchen wird zum Duell um Telefonhörer und Hut. Mit jedem Duett steigert sich körperliche Intensität. Physical Theatre mündet in tänzerischer Physikalität. Klang, Stimmen, Geräusch – dokumentierte Erinnerungen durchziehen das Geschehen. „Was ist hier denn los?“, ruft Saumweber. Stimmengewirr, Glasklirren, Nebel. Drei Silhouetten bewegen sich wie Marionetten, sinken nach Rückbeugen zu Boden. Eine Nachttischlampe bringt Wärme zurück. Nach und nach versammeln sich die Performer*innen in einem Sitzkreis. Saumweber verteilt die Dinge liebevoll an ihren Menschen zurück. In der Mitte wird abwechselnd getanzt – dann richten sich alle gemeinsam auf. Ein Moment zusammengefundener Nähe.

Ein letztes Telefonklingeln. „Gehörst [du] mir oder gehöre ich dir?“

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