„ÉPIQUE ! (FOR YIKAKOU)“ von Nadia Beugré, Tanz: Nadia Beugré und Charlotte Dali

„BLUE NILE TO THE GALAXY AROUND OLODUMARE“ von Jeremy Nedd & Impilo Mapantsula, Tanz: Ensemble

Wurzeln und Flügel

Jeremy Nedd & Impilo Mapantsula beim Spielart-Festival in München

Nach der knappen Stunde schüttelt man sich und denkt: Wo sind wir denn hier gelandet? Oder fliegen wir noch? „Blue Nile to the Galaxy around Olodumare“ liefert intensiven Fiebertraum.

München, 28/10/2025

Wo sind wir denn hier gelandet? In der Muffathalle ist es vollkommen dunkel. Doch der Raum klingt und selbst die Sitze vibrieren von einem jazzigen Klaviergestöber, das sich zu einer bombastischen Hollywood-Film-Musik zusammenballt. Viele Streicher sind dabei, wummernde Bässe – und ein Gefühl dafür, als Mensch nur ein kleiner, aber nicht unwesentlicher Teil des sich permanent ausdehnenden Universums zu sein. „Andromeda´s Suffering“ heißt die neunminütige musikalische Intro aus der Feder von Alice Coltrane. Und auch die sonstige Musik des Spielart-Gastspiels von Jeremy Nedd & Impilo Mapantsula stammt von ihr oder dem südafrikanischen Jazz-Musiker Bheki Mseleku. Sie liefert dem Abend mit dem atmosphärischen Titel „Blue Nile to the Galaxy around Olodumare“ seinen fiebrigen Puls. 

In dem nebligen Licht, das die vom Zuschauerraum abgewandte Seite einer kreisrunden Scheibe schließlich auf die Bühne streut, materialisieren sich nach und nach fünf Tänzer*innen. Wie in einer nächtlichen Straßenszene in einem Film, den unbedingt mal jemand drehen sollte, spiegeln sie einander, aber auf Distanz. Die urbane Tanzsprache, mit der sie hier improvisieren, heißt Pantsula und entstand während der Apartheid in den südafrikanischen Townships. Ein in Bewegung verwandeltes Wir-sind-Hier, das in diesem Fall aber weniger wütend als selbstbewusst wirkt. In weiten Hosen und Jacken floaten Sibongile Mathebula, Sicelo Xaba, Thomas Motsapi, Bonakele Masethi und Sello Modiga durch den leeren Raum. Auf Beinen und Füßen, die mal schnell Raum gewinnen und kurz kicken, aber meist komplizierte und sehr engmaschige Muster in den Boden zu sticken scheinen. 

Es geht um Wurzeln und Flügel und darum, wie das eine aus dem anderen erwächst. Ums fröhliche Antanzen, An-Schnipsen und -Klatschen gegen den arroganten Glauben, die Farbe großer Kunst wäre Weiß. Das Finale hat etwas von einem Tanz-Battle, in dem sich alle gegenseitig mit Juchzern und gellenden Schreien anfeuern. Das meiste davon begreift man unmittelbar in der neuesten Arbeit des in der Schweiz lebenden US-Amerikaners Jeremy Nedd und den Pantsula-Künstlerinnen und Künstlern aus Johannesburg. War da noch was? Ein hintergründiges Geheimnis? Eher nicht! Und doch schüttelt man sich nach der knappen Stunde wie nach einem extrem intensiven Tagtraum und denkt: Wo sind wir denn hier gelandet? Oder fliegen wir noch? 

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