„Curious Space“ von Alexandra Rauh

Die Neugierde siegt

Alexandra Rauhs Tanz-Sound-Performance „Curious Space“ in der Tafelhalle Nürnberg

Seltsame Metallpflanzen, undefinierte Wesen und jede Menge Spaß an Sounds und Bewegung. Alexandra Rauhs Perfomance „Curious Space“ macht neugierig.

Nürnberg, 04/02/2025

Die Neugierde ist ein menschlicher Urinstinkt. Ohne sie keine Evolution, keine Entwicklung. Gegenwärtig jedoch ist es schlecht um sie bestellt. Statt Lust auf Neues dominieren Abwehr und Ablehnung. Es ist daher wohl kein Zufall, dass die jüngste Performance von Alexandra Rauh in einer nicht näher bestimmten Zukunft spielt. Vielleicht, so scheint die Choreografin zu sagen, gibt es dann wieder so etwas wie Freude an der Erkundung des Unvertrauten. Ob es aber noch Menschen sein werden, die sich mit wachen Sinnen auf fremdes Terrain wagen, ist mehr als fraglich. In der Ankündigung zu „Curious Space“ ist lediglich von „zwei Wesen“ die Rede, „deren Körper an Menschen erinnern“.

Laura Boser und Lina Hartmann verkörpern in der Nürnberger Tafelhalle diese Wesen. Die beiden Tänzerinnen tragen blau-schwarze Kostüme. Eine Mischung aus Sportbekleidung, Latexgeschirr und Stofffetzen, entworfen von Simone Körner und Amelie Schlemmer. Zudem prangen bei Boser an den Schulterblättern zwei große Magneten. Hartmann hingegen trägt ihre vorne an den Schultern. Als wäre all dies nicht schon wundersam genug, kauern sie zwischen pflanzenähnlichen Gebilden aus Draht, Kabeln und Metallspulen. Die Flora hat hier eindeutig ein technoides Gepräge. Drei dieser merkwürdigen Pflanzen stehen in großem Abstand zueinander auf der kreisrunden Spielfläche. Drumherum: das Publikum.

Pflanzen aus Metall

Noch ehe etwas passiert ist, macht das Setting neugierig. Die Leistung von Alexandra Rauh besteht darin, diese Neugier mit immer neuen Einfällen weiter anzufachen. Laura Boser und Lina Hartmann beginnen sich sanft zu bewegen. Hier wellt sich der Rücken, dort schlängeln sich Beine und Arme. Bis beide schließlich aufrecht stehen und sich das Rätsel der bizarren Kostüme nach und nach lüftet. Kommen nämlich die Magneten der Performerinnen in die Nähe der Drahtblätter und -äste erzeugen Metallspulen eine Soundlandschaft, die knackt und knistert, raschelt und rieselt. Mal erinnern die Geräusche an ein sanftes Säuseln, mal an einen markerschütternden Sturm. „Curious Space“ wandelt sich so von einer Tanz- zu einer Tanz-Sound-Performance. Das musikalische Konzept dahinter stammt von dem Sounddesigner Alexandru Salariu.

Noch sind die menschenähnlichen Wesen allein mit sich und ihren Pflanzen beschäftigt. Da bei Boser die Magneten am Rücken befestigt sind, schöpft sie ihr Bewegungsrepertoire aus der Körperrückseite. Bei Hartmann dominiert umgekehrt die Vorderseite. Was die Dramatik erhöht, wenn beide sich langsam Richtung Bühnenmitte bewegen, bis sie dort aufeinander treffen. Dem Erstkontakt wohnt etwas Ungelenkes und Unbeholfenes inne, aber nie ist er beherrscht von Abwehr. Immer siegt die Neugier, wer dieses fremde Gegenüber wohl sein mag. Wie aber sich nun begegnen? Rücken an Rücken? Gesicht an Gesicht? Oder doch mit einer Umarmung?

Die Neugierde siegt

Überzeugend gestalten die Tänzerinnen die tastende Annäherung der Wesen, bei denen Geschlechtlichkeit überhaupt keine Rolle mehr zu spielen scheint. Dabei lassen sie nicht nur ihre langsamen und schnellen, zackigen und runden Bewegungen sprechen, sondern auch die Mimik. Das Lächeln, das sie sich schließlich als Zeichen des Vertrauens schenken, ist umwerfend. Man erkennt einander trotz aller Unterschiedlichkeit an und kann so auch auftretende Probleme meistern. Plötzlich nämlich geben die Techno-Pflanzen keinen Ton mehr von sich, sobald man sich ihnen nähert. Nur gemeinsam können sie wieder zum Tönen gebracht werden. Laura Boser und Lina Hartmann geben noch einmal alles und führen eine Art Ritualtanz mit vielen kuriosen Beschwörungsgesten auf: Sie pusten laut, zupfen an den Kostümen, schlenkern mit den Armen. Dann verschwinden sie in der Dunkelheit und lassen die Zuschauer*innen reich beschenkt zurück.

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