Richard Siegal geht (zurück) nach Bayern
Das Staatstheater Nürnberg bekommt ab der Spielzeit 2025/26 einen neuen Ballettdirektor
Da stehen sie, in schwarzen Zwirn gekleidet, bereit für ihr Konzert. Vier Musiker, hinter ihnen ein Halbkreis aus Hockern, auf denen ihre Instrumente liegen. Doch „If/Then For Strings“ ist kein gewöhnlicher Abend des Asasello String Quartetts. Der erste Knopf öffnet sich, die Hose rutscht zu Boden, das Jackett wird sorgfältig zusammen gefaltet. In sportlicher Unterwäsche werfen sich die Streicher in eine Tanzperformance mit Instrumenten.
Richard Siegal entpackt ihre Körper, erlaubt sich und dem Publikum den neugierigen Blick hinter die Kulisse des Formats Konzert, und wie Musik durch Bewegung und Bewegung durch Musik erzeugt wird. Genau an dieser Schnittstelle agiert der amerikanische Choreograf, der als artist in residence des Muffatwerks in München schon viel Aufsehen Erregendes produzierte, sei es die inszenierte Party „©oPirates“ oder das zwischen Aufführung und Ausstellung oszillierende Stück „Civic Mimic“.
Im Mittelpunkt steht für ihn oftmals die Geste, die Schlüsselelement seiner choreografischen Methode „If/Then“ ist. Die Gesten also lösen die Musiker aus ihrer starren Haltung, thematisieren den Körper, während dieser das Streichinstrument bedient. Der Oberkörper neigt sich nach vorne, der Arm holt aus. Siegal integriert in die Aktionsketten der If/Then-Methode Klänge als akustische und visuelle Phänomene. Ein Moment reiht sich an den anderen, die Musiker erheben sich von ihren Plätzen. Die eine lupft das Bein, die andere schlägt ihre Fußsohle gegen den Oberschenkel. Sie fechten mit ihren Bögen und krümmen sich auf ihren Hockern. Der Raum wird dennoch nicht wirklich genutzt, die Bewegung erschöpft sich im Auf-und-Ab an den Hockern und kleinen Platzwechseln auf der Bühne. Auf akustische Spielereien wartet man vergebens.
Das Publikum amüsiert sich, obwohl es weitaus bessere Arbeiten von Richard Siegal gab. „If/Then For Strings“ reizt nicht die Möglichkeiten aus, die in der Verbindung von Musik und Körper liegen. Und so verlaufen die Klang- und Bewegungsereignisse linear und erinnern an seine ersten Arbeiten mit der If/Then-Methode, wie das Solo „If“ und das Duett „Then“ von 2004.
Richard Siegal verarbeitet das Material, das ihm von seinen Kollaborateuren geliefert wird. Ist es bei „Unitxt“, das letztes Jahr am Bayerischen Staatsballett Premiere hatte und seitdem gefeiert wird, das klassische Ballettvokabular, das sich mit Streetdance, Industriedesign und elektronischen Beats von Carsten Nicolai verbindet, werden bei „If Then For Strings“ die Bewegungen der Musiker abstrahiert, übertrieben und so in choreografische Bewegungsmuster überführt. Musik wird zu nacktem Material, das reagiert und auf das reagiert wird. Der Anfang eines Experiments, das „Instrumentales Theater“ – wie es Maurizio Kagel aber auch schon John Cage betrieben – aus der Perspektive des Choreografen denkt.
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