„Turn The P/Age“ von und mit Eva Meyer Keller beim internationalen figuren.theater.festival, 2025 

„Menopause, Menopause!“

In Erlangen startete das 24. Internationale Figurentheaterfestival

Am Eröffnungswochenende erlebte das Festival mit den Inszenierungen „Bewohner“ und „Turn the P/Age“ seine ersten Höhepunkte, die sich auf je eigene Weise mit dem Thema des Altwerdens auseinandersetzen.

Erlangen, 28/05/2025

Vor der Premiere des Stücks „Bewohner“, einer Kooperation des Schauspiels Erlangen mit dem Theater Waidspeicher Erfurt, beschworen der Erlanger Oberbürgermeister Florian Janik und der Intendant Jonas Knecht im Markgrafentheater „das kreative Miteinander“ gerade auch in Zeiten angespannter städtischer Haushalte. In 61 Inszenierungen aus 21 Ländern sollen bis zum 1. Juni in den Städten Erlangen, Nürnberg, Fürth und Schwabach mit den Mitteln des Figuren-, Bilder- und Objekttheaters, „gesellschaftsrelevante Fragen“ erörtert werden. Beispielsweise zu den Bereichen KI, Gentechnologie und Populismus, aber auch zu menschlichen, allzu menschlichen Themen wie Alter, Krankheit und Tod. So fand man sich nach den feierlichen Eröffnungsworten in einem Pflegeheim für Demenzkranke wieder, dargestellt durch kleinkindgroße Handpuppen, geführt von den Schauspielern Johannes Benecke und Tomas Mielentz. Die Gesichter der von Hagen Tilp entworfenen Puppen wirkten berührend lebensecht in ihrer Einsamkeit, Hilflosigkeit und Todessehnsucht. 

„Ewige Jugend?“

Von der einfühlsamen wie schonungslosen „Bewohner“- Inszenierung lässt sich ein Bogen zu der Produktion „Turn the P/Age“ schlagen, die im Februar in den Berliner Sophiensaelen Premiere hatte und hier im kleinen Erlanger Experimentiertheater zur Aufführung kam. Darin behandelt die regelmäßig auf dem Festival vertretene Eva Meyer-Keller ebenfalls körperliche Veränderungen. Allerdings solche, die sich bereits in der Mitte des Lebens einstellen und die Hälfte der Weltbevölkerung ohne Ausnahme betreffen. „Was bedeutet es“, fragt die Choreografin, „als Frau in einer Zeit zu altern, in der das Streben nach ewiger Jugend zur kulturellen Norm geworden ist?“ Konkreter ausgedrückt umkreist die rund 90-minütige Performance das immer noch mit Tabus belegte Thema Menopause. Wobei umkreisen hier durchaus wörtlich zu verstehen ist.

Gemeinsam mit Lisa Densem, Claudia Splitt und der Transfrau Rhyannon Styles schreitet Eva Meyer-Keller die Bühne, die in der Mitte von einer großen Leinwand unterteilt wird, immer wieder im Kreis ab. Die Zuschauer*innen sitzen beiderseits der Trennwand und können nur erahnen, was die Performerinnen gegenüber gerade anstellen. Ein Spannung erzeugender Effekt, der so lange anhält, bis die Leinwand hochgezogen wird. Natürlich wird sie auch für Videoprojektionen genutzt. Die vier Frauen im Alter von Anfang vierzig bis sechzig Jahren ergreifen dazu allerhand auf Tische verteilte Utensilien: Von Tomate, Melone und Radicchio bis zu Skalpell, Messgläsern und Handpumpen. Zu dem experimentellen Setting irgendwo zwischen Labor, OP-Saal und künstlerischer Installation passen die krankenhausgrünen Kittel, die alle tragen. Allerdings mit Rüsche hier, Schleife dort. 

Verfremdung erwünscht

Um den seit Jahrhunderten männlich dominierten Blick auf den weiblichen Körper zu entlarven, haben Eva Meyer-Keller und ihre Performerinnen eindrückliche visuelle Verfremdungseffekte gefunden. Zum Beispiel projizieren sie eine Tomate auf die Leinwand und rücken ihr dann mit dem Skalpell zu Leibe, um eine Gebärmutterentfernung zu simulieren. Eine immer noch gängige Behandlungsmethode in den Wechseljahren, gegen die sie sich auch verbal wehren. Über Lautsprecher wird das Publikum Zeuge von Gesprächen, die sie zuvor über ihre eigenen Erfahrungen mit der Menopause geführt haben und die in Sätzen gipfeln wie: „Ich bin keine leere Kristallkugel.“

Gegenüber dem Tagesspiegel verriet Eva Meyer-Keller in einem Interview, es ginge ihr darum, wirklich andere Geschichten über das Altern zu erzählen. Turn the P/Age eben! Das ist ihr gelungen. Je länger die geistreiche und poetische, zarte und zornige Performance fortschreitet, umso öfter hört man statt Sätzen wie „ich bin erschöpft“, Sätze wie „ich bin alt und schön“, „ich habe die Fäden in der Hand“ und „ich kann jetzt wirklich ich sein“. Sie finden ihre Entsprechung in Projektionen, die gemeinsame Fürsorge und weiblichen Eros feiern. Und in dem ein oder anderen lustvoll zelebrierten Wutausbruch. Dann grätschen fiese Heavy-Metal-Gitarren in die Aufführung, und die Darstellerinnen singen, nein plärren einfach mal „Menopause“, „Menopause“. Das ist vielleicht das Schönste an der Darbietung: Bei aller Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit besitzt sie auch eine sehr große Portion Humor. 

Kommentare

Noch keine Beiträge