Enrique Gasa Valgas „Lágrimas Negras“ 

Zwischen Unterhaltung und Melancholie

Enrique Gasa Valgas „Lágrimas Negras“ im Deutschen Theater München

In der Kubanischen Revolution Fidel Castros verließ Bebo Valdés sein Land. Sein einzigartiger Stil und seine außergewöhnliche Klaviertechnik hinterließen ein grandioses musikalisches Erbe, das die Limonada Dance Company in einer Exil-Choreografie mit Live-Musik präsentiert.

München, 14/02/2025

Zeitlos wie aktuell ist das Thema Exil. Enrique Gasa Valgas kreiert dazu das Tanzstück „Lágrimas Negras“ (Schwarze Tränen), benannt nach Bebo Valdés gleichnamigem Album, das der kubanische Jazzpianist mit dem Flamencosänger Diego el Cigala aufgenommen hatte. Im Jahr 2003 von der „New York Times“ zum besten Album des Jahres gewählt hat dieser Song kubanische Jazzgeschichte geschrieben und ist weit mehr als der Titel dieses abwechslungsreichen wie in mehrfacher Hinsicht bewegenden Tanztheaters von Enrique Gasa Valga. Denn diese Produktion markiert nicht nur die pianistische Wiedervereinigung von Vater (Bebo) und Sohn (Chuco), wie sie in der vorletzten Szene der Choreografie auf der Bühne des Deutschen Theaters in München zu erleben ist. Wiedervereinigung deshalb, weil Vater und Sohn über Jahrzehnte getrennt waren, bevor sie ihr gemeinsames Spätwerk aus dem Jahr 1996 „Juntos para siempre“(„Für immer vereint“) zur Aufführung brachten. Diese Wiederbegegnung war sicherlich ein außergewöhnlicher Moment im Leben der beiden Musiker, bevor Bebo 2013 schließlich an Alzheimer in Stockholm verstarb. Begonnen hat die Geschichte des außergewöhnlichen Exilkubaners Bebo Valdés in seinem Heimatland Kuba, wo der Ausnahmemusiker schon bald Direktor des berühmten Cabarets „Tropicana“ wird, wo unbeschwert getanzt, improvisiert, wo ein neues Musikgenre La Descarga, eine frühe Form des Latin Jazz geboren wird. In dieser Zeit der goldenen Jahre Kubas Mitte der 1950er Jahre entsteht ein buntes Bild, dynamisch, effektvoll, im Rausch der „ansteckenden Energie“ aus kubanischer Musik und Tanz. Es ist die Zeit, wo Bebo Valdés als herausragender Jazzpianist und -komponist seiner musikalischen Kreativität freien Lauf lässt und kommende Musikergenerationen nicht nur Mittelamerikas beeinflusst: Kubanische, afrikanische Rhythmen mit jazzigen Harmonien verbinden sich. 

Auf der Grundlage des klassischen Balletts basiert Enrique Gasa Valgas Tanzstück mit einem breitgefächerten Kanon an Tanzstilen. Uraufgeführt wurde das Werk, das von Romantik und Melancholie geprägt ist, vor einem Jahr in Innsbruck im Rahmen des „Innsbrucker Winter Dance Festivals“. Die Biografie Bebo Valdés verläuft keineswegs gradlinig und unbeschwert. Mit der Machtübernahme Fidel Castros zieht der Musiker sofort Konsequenzen, denn Bebo Valdés sieht sich nicht mehr in der Lage, unter diesem Regime in Kuba seine musikalische Berufung auszuüben. Wie viele Künstler*innen, beschließt er, sein Heimatland, hier sogar seine Familie zu verlassen und nach einer Europatournée nach Stockholm zu emigrieren, um einen musikalischen und existenziellen Neuanfang zu wagen. Bebos Schicksal und das seiner Familie ist entbehrungsreich. Es ist dem Ideenreichtum Valgas, sowie der Virtuosität seiner „Limonada Enrique Gasa Valga Dance Company“ und der siebenköpfigen Band zu verdanken, dass diese Choreografie, die ein schwerwiegendes Thema wie Exil ins Zentrum stellt, das Publikum zu Begeisterungsstürmen mitreißen lässt. Das tänzerische  Spektrum reicht von südländischen Gruppenformationen über Einlagen von kokettem Spitzentanz bis hin zu melancholischen (Solo)-Episoden. Bebos Seele (Nnamdi Nwagwu) mit Hingabe, athletischem Können und künstlerischer Gestaltung ist ein überzeugendes Beispiel. Die Fähigkeit, gekonnt zu stolpern mit waghalsigen Sprungkombinationen, um damit auf die Alzheimer-Krankheit des Protagonisten anzuspielen, ist beeindruckend und auch nicht ganz ungefährlich. 

„Lágrimas Negras“ begeistert nicht nur wegen seiner der tänzerischen und musikalischen Vielfalt. Der Auftritt von Bebos Enkel Cucurucho Valdés, Jazzpianist und -komponist, ist als Zeitzeuge kubanischer Musikgeschichte Inspirationsquelle für alle Mitwirkenden vom Tanzensemble bis hin zu den Protagonist*innen wie Nnamdi Nwagwu (Seele von Bebo Valdés), Sandra Chamochumbi Castro (seine erste Frau), Camilla Danesi (Liebe seines Lebens) und Cosme Tablada Moreno (Seele von Chucho Valdés – Bebos Sohn). So lebendig kann kubanische Kulturgeschichte sein!

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