Tanz das sündhafte Gedächtnis
Auf der schummrig beleuchteten DEZ-Bühne wird Simone Elliott für ihre Uraufführung „I forgot to remember“ stürmisch gefeiert
ChoreoLab TanzSüd will bayerisches und baden-württembergisches Kreativpotential stärker vernetzen und fördern
Raus aufs Land. Die Devise der Nach-68er in den 1970er Jahren findet seit längerem neue Anhänger in der Kultur- und Kunstszene. Auch die beiden Choreograf*innen Pablo Sansalvador und Simone Elliott suchen eine ländliche Bleibe, wo sie ihre Vision eines künstlerisch-kreativen Zentrums für den Tanz ansiedeln können. Räumlich liegt eine Konkretisierung noch im Ungefähren, mit der künstlerischen Umsetzung allerdings haben die in Regensburg ansässige Amerikanerin und der in Ulm aktive Neuseeländer bereits begonnen.
ChoreoLab TanzSüd nennen die beiden ihr gemeinsames Projekt. Gedacht ist es als nachhaltige Plattform, die Choreografinnen und Choreografen aus den beiden südlichen Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern zusammenbringt und fördert. Langfristig sind mehrwöchige „scholarships“, Förderstipendien geplant, die vorwiegend jungen Künstler*innen die Möglichkeit geben soll eigene Vorhaben anzugehen und unter optimalen Bedingungen zu erarbeiten. „Einen geeigneten Ort“, da ist sich Elliott sicher, „werden wir vielleicht schon nächstes Jahr finden“. Auch bei der Finanzierung durch öffentliche Mittel und Sponsoring ist die aus Seattle stammende Performerin und Gründerin des Elliott Dance Collective optimistisch. „Wir sind mit unserem ersten Projekt auf offene Ohren gestoßen“, verweist sie voller Elan auf eine grenzüberschreitende Förderung durch bayerische und baden-württembergische Kultusbehörden. „Es gibt in beiden (Bundes-)Ländern ein Interesse künstlerische Entwicklungen über die Grenzen hinweg zu fördern.“
„It takes four to Tango“ (Zum Tango gehören immer vier) lautet der Titel des Tanzabends, der bei dieser grenzübergreifenden Zusammenarbeit entstanden ist. An der ersten Produktion sind neben den beiden Initiator*innen zwei weitere Choreografinnen beteiligt, die gebürtige Ungarin Emese Nagy und Sade Mamedova aus Mannheim. Von Ulm aus, wo im Kulturzentrum Roxy die Premiere stattfindet, geht die Produktion auf Tournee nach Bayern. Inspiriert von der Kultur und den Ursprüngen des Tangos, besteht der Abend aus vier Kapiteln: „Ceremony“ (Zeremonie), „Unbind“ (Ungebunden), „Cabaceo“ (Cabaceo) und „Freedom“ (Freiheit). Das Thema des Abends konnte von jeder/jedem der beteiligten Choreograf*innen individuell interpretiert werden: In diesem Sinne gehören zum Tango also nicht nur zwei, sondern wirklich vier Personen. Die vier unterschiedlichen Ideen, die von Fabio Calvisi, Vittoria Franchina, Julian Lazzaro und Katharina Ludwig tänzerisch umgesetzt werden, zeugen von der Kreativität und dem Potenzial des zeitgenössischen Tanzes. Die Tänzerinnen und Tänzer sind von den vier Choreograf*innen gemeinsam eingeladen worden mitzuwirken. Simone Elliott und Pablo Sansalvador leiten das Projekt künstlerisch.
Vergangenes Jahr hat Elliott den Leiter des Ulmer Roxy TanzLabors kennengelernt. Da gab es bereits die Plattform ChoreoLab. Sie war von Pedro Sansalvador gemeinsam mit dem Roxy-Kulturzentrum aufgebaut worden, um jungen aufstrebenden Choreograf*innen die Möglichkeit zu geben ihr Handwerk zu festigen und ihre künstlerische Grenzen zu erweitern. Um einen größeren Pool von Künstler*innen mit der Plattform zu erreichen und vor allem die gemeinsame Zusammenarbeit innerhalb der süddeutschen Tanzszene zu vertiefen, riefen die beiden nun ChoreoLab TanzSüd ins Leben.
Sansalvador hat als Choreograf zahlreiche Werke geschaffen, die in Deutschland, der Schweiz, Spanien und Neuseeland uraufgeführt wurden. Er war 2017 Mitbegründer des Kollektivs Moving Rhizomes e.V., das künstlerische und kreative Projekte für die Gesellschaft fördert. Seit 2022 ist er zudem Mitglied im Vorstand der TanzSzene Baden-Württemberg e.V.
Die Choreografin und Lehrerin Emese Nagy studierte an der Ungarischen Tanzakademie und genoß die Ausbildung als Tänzerin bei der Batsheva Dane Company. Sie war Mitbegründerin von „MA-ZE“, erhielt mehrfach den Titel „Emerging Choreographer“ und erhielt 2022 das „Bayern Innovativ Stipendium“.
In Kursk aufgewachsen, wurde Sade Mamedova in Moskau zur Tänzerin ausgebildet und machte den Bachelor-Abschluss an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. Sie war engagiert im Ensemble am Theater Regensburg und später in Luzern. Freischaffend seit 2018, erhielt sie eine Reihe von Auszeichnungen bei internationalen Choreografie-Wettbewerben rund um den Globus.
Simone Elliott erhielt ihre Ausbildung an der Tanzakademie Zürich. Anschließend war sie bei den Tanzcompagnien des Tiroler Landestheaters, des Theaters Chemnitz, des Staatstheaters Nürnberg und zuletzt des Theaters Regensburg tätig. 2021 wurde sie mit dem Kulturförderpreis der Stadt Regensburg für ihre künstlerische Arbeit im Bereich Tanz und Choreografie ausgezeichnet.
Info: Aufführungen Tanzabend „It takes four to Tango“ in Ulm am 24. November, in
Regensburg am 26. November im Rahmen der Regensburger Tanztage und in München am 29. November.
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