Versuch einer Neubewertung
Symposium „Tanzausbildung im Wandel“ an der Hochschule für Musik und Theater München
München, 02/12/2022
Mit dem zweitägigen Symposium „Tanzausbildung im Wandel“ am vergangenen Wochenende hat sich nicht nur der Dachverband Tanz Deutschland und die Ausrichterin dieser hochkarätig besetzten und zukunftsweisenden Veranstaltung, die Hochschule für Musik und Theater München, ein Geschenk gemacht. Beide, der Dachverband Tanz Deutschland und die Hochschule als Initiatorin, haben eine längst überfällige Diskussion in Gang gesetzt, die zum Ziel hat, die Stellung von Tänzer*innen maßgeblich zu stärken. Zum Glück war dieser internationale Austausch live vor Ort und online – also im hybriden Format – möglich. Es verbreitete sich eine Aufbruchsstimmung, die selbst über die Bildschirme zu spüren war, ganz zu schweigen von den Gesprächen zwischen Tür und Angel.
Doch bei aller Euphorie und Fortschrittlichkeit hin zur Ausbildung von selbstbewussten Tänzer*innen hält die Münchner Ballettakademie an ihrer Tradition fest, ihre Student*innen nach der Waganowa-Schule auszubilden. Wohin die pädagogisch-ethische Reise geht, zeigt der Verhaltenscodex, den die Hochschule für Musik und Theater im Jahr 2020 festgeschrieben hat: Im Mittelpunkt steht die Persönlichkeit der Tanzstudent*innen in ihrer Ganzheitlichkeit und Individualität. Man ist davon abgerückt, die angehenden Tänzer*innen nicht allein als Empfänger von Unterrichtsinhalten zu betrachten. Vielmehr ist es das Ziel dieses Konzeptes, die Studierenden als eigenständige Persönlichkeit sich entfalten zu lassen, um dann gefestigt in das Berufsleben einzutreten. Diese Sichtweise dieser Art von Emanzipation wurde allgemein begrüßt.
Im Mittelpunkt dieses Symposiums, das die Weiterentwicklung einer zukunftsfähigen, professionellen Tanzausbildung thematisierte, standen Fragen zur „psychischen und physischen Gesundheit von Tänzer*innen, dem Umgang mit Exzellenz (Anmerkung: nicht allein Perfektion) und Wettbewerb, Diversität und Ethik im Tanz.
Wie ein roter Faden durchzieht sich während dieser beiden Tage das Thema Tanzgesundheit, das die Basis bildet oder bilden sollte, um Tänzer*innen zu künstlerischen Höchstleistungen zu motivieren. Tänzer*innen zugleich vor Verletzungen zu bewahren, also präventiv zu wirken, haben sich die Pädagog*innen mehr denn je zu ihrer Aufgabe gemacht. Damit einher finden die Fächer wie Anatomie und auch Tanzmedizin endlich Eingang in die pädagogischen Konzepte einer professionellen Tanzausbildung, was nicht immer selbstverständlich war. Marc Greifes, ehemaliger Tänzer und ausübender Physiotherapeut war hier mit seinem lebendigen und informativen Vortrag zu Gast. Er bietet Fortbildungen für Tanzpädagog*innen zum Thema anatomischer Strukturen, ihren tanzspezifischen Funktionen sowie den Kompensationsmechanismen an. Es ist das Bestreben, die Möglichkeiten des eigenen Körpers für den Tanz (welcher Tanzrichtung auch immer) optimal zu nutzen und den Körper gesund zu erhalten.
Mit dem Symposium in München wurde ein Grundstein für eine neue Ausrichtung in der klassischen, professionellen Tanzausbildung gelegt. Ein Blick nach Wien zeigt, welche Neuanfänge möglich sind. Martin Schläpfer hat die Wiener Ballettakademie übernommen, als Missbrauchsvorwürfe bekannt wurden. Wie dieser (erfolgreiche) Neuanfang möglich war, welche umfassenden und detailreichen Reformen er mit seinem Team zugunsten der Student*innen auf den Weg brachte, war nicht nur Thema seines Vortrages, sondern Gegenstand der tanzethische Diskussion in diesem Symposium, die auch hier ihren Anfang nimmt.
Dass Wettbewerbe zum Alltag für (angehende) Balletttänzer*innen gehören, ist unbestritten. Die Frage nach dem Umgang mit Wettbewerben hingegen wurde auch kontrovers diskutiert. Folglich richtete sich damit der Blick auch auf die Auswahl der Wettbewerbe, der Vor- und Nachbereitung der Schüler*innen auf dieses Ereignis. Es liegt in der Gabe oder auch Erziehungskunst der Pädagog*innen, die Student*innen zu Höchstleistungen zu motivieren, zur Exzellenz. Diskutiert wurde auch die Frage, wer grundsätzlich an welchen Wettbewerben teilnehmen sollte und wie man mit möglichen Misserfolgen umgehen sollte. Ein Teilnehmer kommentierte: „Failure is a close brother to competition.“ Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Gesangspädagoge Prof. Dr. Med. Peer Abilgaard (Hochschule für Musik und Tanz Köln und Klinik für seelische Gesundheit am Evangelischen Klinikum Gelsenkirchen) bringt es im Umgang mit Wettbewerben auf den Punkt: „Jeder Jeck ist anders.“ - frei übersetzt aus dem Kölnischen: „Eines schickt sich nicht für alle“, womit Abilgaard auf die Individualität anspielt. Dass Wettbewerbe nicht unbedingt das Wohl der Schüler*innen, sondern den Ruf deren Ballettschulen im Blick haben, ist leider oft noch Realität und damit ethisch fragwürdig.
Der Ruf nach der Errichtung ethischer Grundsätze wird auch aus diesem Grunde lauter, weshalb die vom Dachverband Tanz Deutschland eingerichtete Ethik-Kommission vor etwa einem Jahr gegründet wurde. Sie dient u.a. als Anlaufstelle für Tänzer*innen, die Informationen suchen, um sich beispielsweise vor Diskriminierungen zu schützen und dort diverse Ansprechpartner*innen für ihre Belange zu finden.
Das breitgefächerte Symposium mit international hochrangigen Vertretern aus Tanz, Psychologie, Tanzpädagogik und Medizin zeigt nicht nur, dass das Thema Tanzmedizin immer stärker an Einfluss gewinnt. Es beweist auch, dass das Menschenbild von Tänzer*innen - insbesondere in der Ausbildung - im Wandel ist, hin zu Künstler*innen, die ihre Rechte kennen und diese auch durchsetzen können. Junge Menschen sollen daher zu mündigen, selbstbestimmten und selbstbewussten Künstler*innen ausgebildet werden auf dem oft schwierigen Weg in ein hartes Berufsleben. Die professionelle Tanzausbildung will spannende und neue Wege betreten. Ein vielversprechender, engagierter Anfang ist hier gemacht.
Doch bei aller Euphorie und Fortschrittlichkeit hin zur Ausbildung von selbstbewussten Tänzer*innen hält die Münchner Ballettakademie an ihrer Tradition fest, ihre Student*innen nach der Waganowa-Schule auszubilden. Wohin die pädagogisch-ethische Reise geht, zeigt der Verhaltenscodex, den die Hochschule für Musik und Theater im Jahr 2020 festgeschrieben hat: Im Mittelpunkt steht die Persönlichkeit der Tanzstudent*innen in ihrer Ganzheitlichkeit und Individualität. Man ist davon abgerückt, die angehenden Tänzer*innen nicht allein als Empfänger von Unterrichtsinhalten zu betrachten. Vielmehr ist es das Ziel dieses Konzeptes, die Studierenden als eigenständige Persönlichkeit sich entfalten zu lassen, um dann gefestigt in das Berufsleben einzutreten. Diese Sichtweise dieser Art von Emanzipation wurde allgemein begrüßt.
Im Mittelpunkt dieses Symposiums, das die Weiterentwicklung einer zukunftsfähigen, professionellen Tanzausbildung thematisierte, standen Fragen zur „psychischen und physischen Gesundheit von Tänzer*innen, dem Umgang mit Exzellenz (Anmerkung: nicht allein Perfektion) und Wettbewerb, Diversität und Ethik im Tanz.
Wie ein roter Faden durchzieht sich während dieser beiden Tage das Thema Tanzgesundheit, das die Basis bildet oder bilden sollte, um Tänzer*innen zu künstlerischen Höchstleistungen zu motivieren. Tänzer*innen zugleich vor Verletzungen zu bewahren, also präventiv zu wirken, haben sich die Pädagog*innen mehr denn je zu ihrer Aufgabe gemacht. Damit einher finden die Fächer wie Anatomie und auch Tanzmedizin endlich Eingang in die pädagogischen Konzepte einer professionellen Tanzausbildung, was nicht immer selbstverständlich war. Marc Greifes, ehemaliger Tänzer und ausübender Physiotherapeut war hier mit seinem lebendigen und informativen Vortrag zu Gast. Er bietet Fortbildungen für Tanzpädagog*innen zum Thema anatomischer Strukturen, ihren tanzspezifischen Funktionen sowie den Kompensationsmechanismen an. Es ist das Bestreben, die Möglichkeiten des eigenen Körpers für den Tanz (welcher Tanzrichtung auch immer) optimal zu nutzen und den Körper gesund zu erhalten.
Mit dem Symposium in München wurde ein Grundstein für eine neue Ausrichtung in der klassischen, professionellen Tanzausbildung gelegt. Ein Blick nach Wien zeigt, welche Neuanfänge möglich sind. Martin Schläpfer hat die Wiener Ballettakademie übernommen, als Missbrauchsvorwürfe bekannt wurden. Wie dieser (erfolgreiche) Neuanfang möglich war, welche umfassenden und detailreichen Reformen er mit seinem Team zugunsten der Student*innen auf den Weg brachte, war nicht nur Thema seines Vortrages, sondern Gegenstand der tanzethische Diskussion in diesem Symposium, die auch hier ihren Anfang nimmt.
Dass Wettbewerbe zum Alltag für (angehende) Balletttänzer*innen gehören, ist unbestritten. Die Frage nach dem Umgang mit Wettbewerben hingegen wurde auch kontrovers diskutiert. Folglich richtete sich damit der Blick auch auf die Auswahl der Wettbewerbe, der Vor- und Nachbereitung der Schüler*innen auf dieses Ereignis. Es liegt in der Gabe oder auch Erziehungskunst der Pädagog*innen, die Student*innen zu Höchstleistungen zu motivieren, zur Exzellenz. Diskutiert wurde auch die Frage, wer grundsätzlich an welchen Wettbewerben teilnehmen sollte und wie man mit möglichen Misserfolgen umgehen sollte. Ein Teilnehmer kommentierte: „Failure is a close brother to competition.“ Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Gesangspädagoge Prof. Dr. Med. Peer Abilgaard (Hochschule für Musik und Tanz Köln und Klinik für seelische Gesundheit am Evangelischen Klinikum Gelsenkirchen) bringt es im Umgang mit Wettbewerben auf den Punkt: „Jeder Jeck ist anders.“ - frei übersetzt aus dem Kölnischen: „Eines schickt sich nicht für alle“, womit Abilgaard auf die Individualität anspielt. Dass Wettbewerbe nicht unbedingt das Wohl der Schüler*innen, sondern den Ruf deren Ballettschulen im Blick haben, ist leider oft noch Realität und damit ethisch fragwürdig.
Der Ruf nach der Errichtung ethischer Grundsätze wird auch aus diesem Grunde lauter, weshalb die vom Dachverband Tanz Deutschland eingerichtete Ethik-Kommission vor etwa einem Jahr gegründet wurde. Sie dient u.a. als Anlaufstelle für Tänzer*innen, die Informationen suchen, um sich beispielsweise vor Diskriminierungen zu schützen und dort diverse Ansprechpartner*innen für ihre Belange zu finden.
Das breitgefächerte Symposium mit international hochrangigen Vertretern aus Tanz, Psychologie, Tanzpädagogik und Medizin zeigt nicht nur, dass das Thema Tanzmedizin immer stärker an Einfluss gewinnt. Es beweist auch, dass das Menschenbild von Tänzer*innen - insbesondere in der Ausbildung - im Wandel ist, hin zu Künstler*innen, die ihre Rechte kennen und diese auch durchsetzen können. Junge Menschen sollen daher zu mündigen, selbstbestimmten und selbstbewussten Künstler*innen ausgebildet werden auf dem oft schwierigen Weg in ein hartes Berufsleben. Die professionelle Tanzausbildung will spannende und neue Wege betreten. Ein vielversprechender, engagierter Anfang ist hier gemacht.
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