Kunst der Verzauberung
Die Jubiläumsausgabe von Think Big!, dem Festival für junges Publikum in München, lädt zum Träumen ein und hält den Spiegel vor
München im Festival-Fieber: Unmittelbar auf das städtische „Rodeo“ folgt jetzt „Think Big!“ (bis 19.10.), für das sich der Verein Tanz und Schule mit Campus/Bayerischem Staatsballett, Muffatwerk, Kammerspielen und i-camp zusammengetan hat. „Denk groß!“ – warum nicht so auf Deutsch? – findet zum 3. Mal statt, um Kindern (von sechs bis zwölf Jahren) und Jugendlichen mit internationalen Choreografen-Gästen und Workshops zeitgenössischen Tanz in seiner Vielfalt nahe zu bringen.
Das Stück „Re:Zeitung“ der berühmten Anne Teresa de Keersmaeker, quasi Belgiens Pina Bausch, eröffnete das Jugend-Tanzfestival im Kammerspiele-Werkraum. Erarbeitet mit sechs Tänzern der Brüsseler P.A.R.T.S.-Stiftung, führt es exemplarisch die vielen Möglichkeiten freien Tanzens vor: das locker aus der Hüfte schwingende Bein, die wie Vektoren richtungsweisenden oder kurvig kreisenden Arme, der abrupt fallende und sich wieder aufrichtende Oberkörper. Dieses noch mit Bodenfiguren bereicherte Vokabular wird von den sechs P.A.R.T.S.-Männern immer wieder zu neuen Bewegungssequenzen kombiniert und in variierten Gruppierungen, vom Solo übers Duett bis zum Sextett, in den Raum geschritten, gelaufen, gehüpft. Fachleute erkennen hier wohl die zeitgenössische Stil-Entwicklung durch große US-Meister wie Merce Cunningham, Trisha Brown und Doris Humphrey (ihr System von "balance" und "off-balance"). Und sicherlich war diese mathematische „Lego-Arbeit“ für de Keersmaeker und auch die Tänzer interessant. Aber selbst Tanz-gestählte Zuschauer haben die siebzig Minuten hochakademische dröge Abstrakt-Choreographie zu anspruchsvollen Musiken von Bach, Webern, Schönberg und Charles Ives nur schwer verdaut.
Und so sollen Kinder ab zwölf für Tanz begeistert werden? Mit maximal zwanzig Minuten „Vokabular-Einführung“, einem animierten Duett aus der Mitte des Stücks und der flotten Ensemble-Schluss-Sequenz (diese gottlob zu mitreißender Popmusik) hätte das gelingen können. Geholfen hätte auch, wenn die bewundernswert technisch fitten Tänzer hier nicht die Judson-Church-Mode der 60er Jahre des völlig neutralen Gesichtsausdrucks kultiviert hätten. Nur Jose Paulo Dos Santos vermittelte mit natürlichem Lächeln seine Freude am Tanzen. Danke!
Jetzt noch anschauen:
Muffathalle: Theater Strahl/ Wies Merkx, 15.10., 19 Uhr
i-camp: verschiedene Stücke von Erik Kaiel & Workshop für Schulklassen, 15. 10., 10 Uhr und 14 Uhr 30
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