NEWSROOM - #2
Die neueste Folge unserer Newssendung zu Tanz aus Bayern
Tänzer, die sprechen und singen, und umgekehrt, Schauspieler, die tanzen: heute – Pina Bausch vor allem sei Dank – sind die Sparten durchlässig. Und wenn die für ihre Darstellungskunst schon vielfach ausgezeichnete Sandra Hüller – seit 2006/07 leuchtender Stern im Münchner Kammerspiele-Ensemble - tanzt, ist der Werkraum natürlich ausverkauft. Zusammen mit dem Regisseur und Musiker Tom Schneider, der Tänzerin Alice Gartenschläger und der Cellistin Philine Lembeck stürzte sie sich „À corps perdu“, heißt: Hals über Kopf, in eine Art Tanzprojekt.
Hüller und Schneider gestalteten schon ihre Hommage an die Pop-Ikone Courtney Love von 2009 (letztes Jahr auch hier zu sehen) mit selbst komponierten Songs, Schauspiel und Tanz. Jetzt kommt die bildende Kunst hinzu – vielleicht gar nicht mal beabsichtigt. Oder nicht in dieser Gewichtigkeit. Aber es ist tatsächlich Franziska Jacobsens exquisit bildnerische Ausstattung, die Philine Lembecks davonwehenden Cello-Impressionen erst einen Raum gibt, die der tänzerischen Bewegung des Stücks überhaupt Profil(e) ermöglicht. Unter dem dreiseitigen, vorne offenen Gatter aus waagerechten weißen Brettern krabbeln Hüller, Gartenschläger und Lembeck hervor. In unifarbenen wattierten Strampelanzügen und Kindermasken vor dem Gesicht klimpern sie, eng zusammengekuschelt, unbeholfen auf Spielzeuginstrumenten. Die Baby-Montur wird runtergestrippt und in einem blauen Plastiksack zum Bühnenhimmel hochgezogen, wo dicht an dicht identische Säcke hängen – mit augenscheinlich zuvor entsorgtem abgelegtem Leben.
Und immer wieder klettern und turnen die drei Damen, nun in bunt gemusterten Röckchen von 50er Jahre Teenies, an der Abzäunung: solo, als synchrones, auch mal kopfüber hängendes Trio. Das alles sind zum Fotografieren schöne, durchaus auch sinnvolle Bilder zum gewählten Thema „Erinnerungen“, mal leise lyrisch, mal imposant malerisch, mal jugendlich stürmisch, wenn Lembeck und die nie verschmerztes Liebesweh besingende Hüller auf rollendem Stuhl über ihre Koppel düsen.
Und wenn Hüller verschmitzt die Koppel-Bretter als Notenlinien identifiziert und man die Klang-erweiternde Koppel aus der Orgeltechnik assoziiert, dann legitimiert sich über dieses hintersinnige Sprach-Bild-Spiel das Mit- und Ineinander von Musik, Schauspiel und Tanz. Was allerdings die gesprochenen luftigen Textfetzchen und die choreografische Substanz betrifft, zieht sich das Team mit dem Vorwand der je nur fragmentarisch erinnerten Vergangenheit lediglich geschickt aus der Affaire. Eine Licht-aus-Licht-an-Dramaturgie, ein bisschen Befindlichkeitsgestammel und Durchschnitts-Vokabeln aus dem zeitgenössischen Bewegungs-Repertoire – wobei sich Hüller in dem längeren Duett erstaunlich gut geschlagen hat -, das genügt bei der heute hochentwickelten Performance- und freien Tanzkunst nicht mehr.
nochmals 30. 11. und 9. 12., 20 Uhr
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