Intensives Memento Mori
„Balau“ von Serge Aimé Coulibalys an den Münchner Kammerspielen
„Being Pink Ain‘t Easy“ von Joana Tischkau zu Gast in den Münchner Kammerspielen
Pinke Holzrahmen auf der Bühne der Kammer 3. Davor zwei pinke Sofapolster mit etwas darauf, das wie eine pinke Flauschdecke aussieht. Auf den Polstern der Performer Rudi Natterer, gekleidet in ein pinkes Basketballtrikot in Übergröße, pinke Sportschuhe, auf dem Kopf eine Kopfbedeckung für Dreadlocks. Sogar das Licht strahlt in manchen Einstellungen in pinken Farbtönen. Kurz: in Joana Tischkaus Tanzperformance „Being Pink Ain't Easy” ist alles – bis hin zu Requisiten wie Handys und Glätteisen – pink, sie nimmt den Titel wortwörtlich und haut ihn dem Publikum zu jedem Zeitpunkt des einstündigen Abends um die Ohren.
Tischkaus Solo-Tanzperformance basiert auf ihrer Master-Abschlussinszenierung „PLAYBLACK“ – dieses Jahr zur Tanzplattform in München eingeladen. Sie untersucht die Konstruktion von Männlichkeitsbildern in der Rap-Kultur und Versuche, diese starren Vorstellungen von innen und außen aufzubrechen. Dieser sehr akademische Ansatz ist stark zu spüren, während die Thematik künstlerisch noch weiterentwickelt werden könnte. Grundlage des Abends ist der Rapper Cam'ron, der 2002 in seinem Musikvideo „Hey Ma“ rosa Kleidung trug und damit einen Trend unter US-Rappern lostrat, der zuletzt auch die Modewelt Europas erreichte. Trotz der häufigen Konnotation der Farben rosa oder pink mit Femininität, wurde die Maskulinität der Rapper dadurch nicht infrage gestellt. Joana Tischkau führt zu ihrer Arbeit aus, dass dies nicht zuletzt daran liege, dass afroamerikanische Rapper automatisch politische Zuschreibungen wie Heterosexualität, Hypermaskulinität und Aggressivität erleben und dieses starre Konstrukt selbst durch „feminine“ Farben nicht gebrochen wurde
Genau hier setzt Tischkau in „Being Pink Ain't Easy“ an und stellt Fragen nach der Möglichkeit, starre Maskulinitätsvorstellungen im Inneren sowie im Äußeren aufzubrechen. Immer wieder werden Sequenzen, in denen Rudi Natterer in voller Rapper-Kluft mit langsamen Bewegungen typische Posen aus Rap und Hip-Hop einnimmt, stets mit herausforderndem Blick nach vorne und einer lässigen Unterspannung im Körper, von einem Handyklingeln jäh unterbrochen. Am anderen Ende ist ein guter Freund des Performers, der in cooler Flüsterstimme zu ihm spricht und ihn dazu ermuntert, zu seiner pinkness zu stehen, auch wenn dies, wie er weiß, nicht einfach sei.
Im Performer scheint also von Beginn an ein Wunsch nach neuen Ausdrucksformen vorhanden zu sein, ein Wunsch, der offensichtlich aber nicht durch äußere Umstände und fehlende Unterstützung seitens seiner Community auf Widerstand stößt, sondern durch einen inneren Kampf heraus aus den konstruierten Männlichkeitsposen aufgehalten wird.
Im stärksten Moment des Abends gelingt es dem Performer schließlich, seinem tänzerischen Ausdruck freien Lauf zu lassen. Befreit und mit Inbrunst springt und tanzt er über die Bühne und zeigt mit virtuosen Elementen aus Modern Dance und Jazzdance sein eigentliches tänzerisches Können und künstlerisches Potential. Direkt im Anschluss verfällt er wieder in seine Rap-Posen, dieses Mal aber mit vollem Selbstbewusstsein im Gegensatz zu früheren Sequenzen, in denen sein Gesichtsausdruck leicht unentspannt und die Posen teils künstlich wirken. Ihm gelingt es erfolgreich, seine Zwischenstellung mit einer inneren Zufriedenheit anzunehmen.
Leider ist der gesamte Abend allerdings ein wenig eindimensional und dessen Aussage von Beginn an eindeutig. Dass die Performance keineswegs subtil ist, wird gleich zu Beginn durch die Entscheidung, alles auf der Bühne pink aussehen zu lassen, offenbar. Die im Folgenden wechselnden Sequenzen zwischen Demonstration der Rap-Posen und Handytelefonaten, in denen der Performer selbst nie spricht, wiederholen sich in Inhalt und Ästhetik mehrmals, bis erst ziemlich spät eine Entwicklung im Inneren des Performers einkehrt. Durch die absolute Offensichtlichkeit und die insbesondere am Ende etwas übertriebene Mimik wirkt „Being Pink Ain't Easy“ teilweise wie eine Parodie auf sich selbst.
Vielleicht ist aber auch genau das Tischkaus Anliegen: offenzulegen, dass Ausdrucksformen einer Gruppe immer angeeignet sind, in sich nichts Natürliches haben müssen und gerade deswegen an der Grenze zur Parodie stehen. Außerdem erhebt die Performance ohnehin keinerlei Anspruch, ernst und schwer zu sein, und wird wiederholt komödiantisch gebrochen. Und so bleibt ein weiteres Highlight des Abends die Szene, in der Rudi Natterer mit einem pinken Glätteisen ein Sandwich mit Schinken zubereitet. Zutiefst skurril und sehr komisch.
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