Pina Bausch reduced
Sebastian Blasius' „Erasing Café M“ versucht sich an einer Minimalversion des legendären „Café Müller“ im i-camp München
Was noch mit einem Stück machen, das bereits zur eigenen Rekonstruktion wurde und sich seit der Uraufführung 1978 auf der ganzen Welt immer wieder neu hervorbringt? Spätestens seit Pina Bauschs Tod 2009 und Wim Wenders erfolgreichen Film über das Wuppertaler Tanztheater zum eigenen Mythos geworden, steckt „Café Müller“ in einer wiederkehrenden Rückblende, die Vergangenheit nicht vergehen lässt, als dauernd Werdendes bestehen bleibt und nur noch in seiner eigenen Musealisierung wahrgenommen zu werden scheint.
Das Café Müller gibt es nicht. Also wird alles, was daran erinnert und bedeutet, kurzerhand ausradiert. Das kollektiv Imaginäre: ein Bühnenraum voller schwarzer Stühle und Tische, die spindeldürre Pina im weißen Nachthemd, verzweifelte Begegnungen der Körper. Einfach ausgelöscht.
Übrig bleiben die ersten zehn Minuten des 'Originals' ohne die tragende Musik Henry Purcells im leeren Raum. Jeglicher Theatralität beraubt, agieren die drei Performer, deren drei Körper als weiblich, männlich und androgyn gekennzeichnet sind, in wenigen, als Bausch erkennbaren Gesten und Bewegungen. Die offen nach vorne gestreckten Handgelenke. Hände, die über den Körper streichen, eine Hälfte des Gesichts verbergen. Entzeitlichte Überreste, die weder vergangen noch präsent sind.
Zwei kurze Interviewsequenzen deuten Bauschs Choreografie an, ansonsten findet die Erinnerung im leeren Raum statt und im Körper der Performer. Sie begeben sich auf die Suche, zitieren die Gesten und verwischen sie sogleich wieder in ihren Bewegungen. Sequenzen werden aufgebaut, perpetuieren sich und sind verloren im Nichts.
Die Wiederholungen können sich schwer in den Körpern einschreiben, projizieren vielmehr den Prozess des Erinnerns. Doch die Basis von Sebastian Blasius' Versuch ist wacklig: „Erasing Café M“ verweigert die Rekonstruktion, gleichzeitig aber auch die Dekonstruktion, die dem mächtigen Konglomerat Pina Bausch entgegenzusetzen wäre. So bleibt das Stück im Ansatz stecken, verliert sich in der Ewigkeit der Dauerschleife und wirft mit all dem Ausstellen von Lücken und Differenzen die Frage auf: Wozu denn all dieses Suchen im kulturellen Gedächtnis?
Kommentare
Noch keine Beiträge
Please login to post comments