STAINS - ROSALIE WANKA / PAOLA EVELINA

STAINS

Das aktuelle Kunstprojekt von Rosalie Wanka und Paola Evelina

Wir befinden uns an einem Wendepunkt des Erinnerns an den Nationalsozialismus und den Faschismus, da die Zeitzeugen immer weniger werden und in einigen Jahren vollständig ausgestorben sein werden. Diese Aussicht stellt unsere Gesellschaft vor essentielle Fragen: Wie gehen wir nun mit den Erinnerungen um? Wie bringen wir sie uns persönlich und auch physisch näher? Wie verankern wir Orte des Faschismus und ihre Geschichte im persönlichen und kollektiven Erinnern?

München, schwere Reiter, 09/09/2024

“What do we do with our memories? What future do we want to construct? On which stones? history needs
questions to keep memory alive”

Wir befinden uns an einem Wendepunkt des Erinnerns an den Nationalsozialismus und den Faschismus, da die Zeitzeugen immer weniger werden und in einigen Jahren vollständig ausgestorben sein werden. Diese Aussicht stellt unsere Gesellschaft vor essentielle Fragen: Wie gehen wir nun mit den Erinnerungen um? Wie bringen wir sie uns persönlich und auch physisch näher? Wie verankern wir Orte des Faschismus und ihre Geschichte im persönlichen und kollektiven Erinnern?

Rosalie Wanka und Paola Evelina suchen als Antwort nach neuen Wegen, Erinnerung zu praktizieren und zu archivieren und unsere Erinnerungskultur auf experimentelle Weise zu reflektieren. Aus dem Rechercheprojekt CAPTURES, das Fotografie als dokumentarisches und kreatives Mittel in Bezug auf Tanz in verschiedenen architektonischen Kontexten untersuchte, ist so das Projekt STAINS entstanden, das die (Schand)Flecken im Stadtbild, die Löcher im kollektiven Gedächtnis als stumme Zeitzeugen erforscht.

“Mauern können sprechen, und wir wollen zuhören, uns erinnern, fühlen. Wir kriechen in das „Dazwischen“, in die vergessenen Narben, die zu viele historische Ereignisse hinterlassen haben, ohne dass wir sie weiter hinterfragt haben” so Paola Evelina. 

"In architektonischen und urbanen Kontexten sind diese Interventionen wahnsinnig eingefärbt und durch diesen Kontext beeinflusst. Wir haben schnell gemerkt, dass manche Orte aufgeladener als andere sind und die Interventionen beeinflussen, vor allem, wenn sie in Bezug zur NS-Vergangenheit stehen." - Rosalie Wanka

 

Interventionen und Stop Motion: Blinde Flecken im Stadtbild

Dafür haben Paola Evelina und Rosalie Wanka sich mit der Geschichte von Orten beschäftigt, die im Stadtbild versteckt auf die faschistische Vergangenheit von Deutschland, Österreich und Italien verweisen. Diese blinden Flecken im kollektiven Gedächtnis markieren und erforschen sie durch ihre Interventionen: als beinahe nackter Körperknoten oder in einem Stoffschlauch steckend erkundet die  Tänzerin Rosalie Wanka die architektonischen Überbleibsel des Faschismus und setzt sich auf diese Weise physisch mit diesen steinernen Zeitzeugen auseinander.

“Plötzlich kam ich darauf: Ich bin jetzt dieser Fleck, dieser blinde Fleck der Gesellschaft, wo man nicht hinschauen will, der Schandfleck in der Erinnerung”, erinnert sich Rosalie Wanka an eine ihrer ersten Tanzintervention an den Fundamenten des ‘Ehrentempels’, gegenüber vom NS-Dokumentationszentrum in München.

Der tanzende Körper in den unterschiedlichen architektonischen und urbanen Kontexten verbildlicht den Genius Loci und tritt mit ihm in Dialog. Dieses Be-Tasten und Be-Greifen dokumentiert die Fotografin Paola Evangelina mit ihrer Kamera. Aus den entstandenen Aufnahmen montiert sie Stop-Motion-Videos, die so fragmentarisch sind wie die Erinnerungen selbst und das Gedächtnis zur individuellen Verbindung der einzelnen Bilder anhalten. Denn auch Erinnerungskultur ist fragmentarisch und wird immer lückenhafter, je mehr Zeit vergeht.

So lenkt STAINS die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein auf die historischen Orte in unserem Stadtbild, deren Bedeutung im Alltag fast vergessen ist, und lädt die Betrachter:innen dazu ein, neu über die blinden Flecken in unserem kollektiven Gedächtnis zu reflektieren.

“Das Projekt liegt mir sehr am Herzen, denn ich beschäftige mich dadurch auch mit meiner eigenen Geschichte. Ich sehe es als meine Pflicht, mich in meiner Kunst mit dieser Vergangenheit auseinanderzusetzen und meinen Beitrag zu leisten, dass wir die Verbrechen des NS-Regimes weder vergessen, noch dass sie durch die Erinnerung irgendwie kleiner werden, noch relativiert werden können”, sagt Rosalie Wanka

 

Lecture Performances: Performative Momente und Präsentation der Materialien

Die Ergebnisse ihres Projektes präsentieren sie und Paola Evelina in Lecture Performances, in denen sie performative Momente, eine (kunst-)historische Kontextualisierung und ihre persönlichen Erfahrungsberichte zu einem Event verbinden, das Erinnerungskultur auf neue Weise reflektiert. 

“Es besteht ein großer Unterschied zwischen Monumental-/Gedenkarchitektur und totalitärer Architektur: Erstere will die menschliche Seele erheben, erweitern und sie zu ihrer Größe führen; letztere muss die Größe von Maßstab und Proportionen instrumentalisieren, um die menschliche Vielfalt durch Macht und Angst zu standardisieren, zu organisieren, zu kontrollieren, zu manipulieren - und letztlich zu kastrieren”, fasst Paola Evelina zusammen. In ihrer kunsthistorischen Einordnung sprechen die Künstlerinnen über Körper und Utopie im
Zusammenhang mit Architektur in der Geschichte. 

In den Lecture Performances finden auch die verschiedenen Medien des Projekts - Tanz, Fotografie und Architektur - zusammen und öffnen den Recherche- und Erfahrungsprozess für eine Interaktion mit dem Publikum. Vor und nach der Lecture Performance können die Besucher:innen das ausgestellte Bild- und Videomaterial betrachten - und werden selbst Teil der Performance: Um einige der Screens zu erreichen, müssen sich die Betrachter:innen in einen Stoffschlauch winden und finden sich plötzlich selbst im blinden Fleck der Erinnerung wieder, wohin sich die Künstlerinnen begeben haben.

 

Gefördert von: Kulturreferat der Landeshauptstadt München - Bayerischer Landesverband für zeitgenössischen Tanz - Stadt Linz - Land Oberösterreich

Partner: Sonnensteinloft Linz, Redsapata e.V.
 

Lecture Performances:

Pre-Premiere: am 14. September um 19:30 Uhr im Sonnensteinloft Linz, Sonnensteinstr. 11-13 , 4040 Linz.
Lecture Performances am 20. und 21. September um 20:00 Uhr im Theater Schwere Reiter, Dachauerstr 114A ,
80797 München.

Die Performance findet in englischer Sprache statt.

Die Multimediale Installation kann vor und nach der Vorstellung besichtigt werden. Einlass ist ab 19:00 Uhr.
Generalprobe für Presse und Fachpublikum: am Mittwoch, 18.9. um 19:00 Uhr im Theater Schwere Reiter.

Um Anmeldung wird gebeten unter stainsproject@gmail.com

Tickets: https://rausgegangen.de/en/events/rosalie-wanka-stains-1/

 

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