„Make Banana Cry“ von Andrew Tay & Stephen Thompson
„Make Banana Cry“ von Andrew Tay & Stephen Thompson

Klischees, die tanzend abblättern

„Make Banana Cry“ von Andrew Tay und Stephen Thompson in der Freiheitshalle München

Von der Stereotypisierung und Fetischisierung des „Asiatischen“: Wie Andrew Tay und Stephen Thompson in ihrer tanzend-humoristischen Performance weiße westliche Klischees erkennen, hyperstilisiert darstellen und schlussendlich lässig dekonstruieren, um als Resultat eine alternative Blickweise auf Interkulturalität zu bieten – zum Schluss weint nicht nur die Banane.

München, 21/05/2023
Von Yana Subbotina

Taschen von Louis Vuitton, eine Plastikvagina als Trillerpfeife und eine Packung Instantnudeln: „Make Banana Cry“ ist eine mitreißende und beeindruckende Performance. Die Darstellungsform lässt sich nicht richtig einordnen. Ist es eine Tanzchoreografie? Eine politische Theatervorstellung? Ist es eine Modenschau mit einem Laufsteg? Ist es eine humoristische und politische Satire als Performance? In dieser Uneindeutigkeit liegt auch die Finesse der Performance und der damit einhergehenden kulturkritischen Aussage.

Das Publikum betritt den Raum, der eine Mischung aus Laufsteg und Museum ist. In verschiedenen Vitrinen und auf den Ausstellungsflächen liegen zahlreiche Objekte ausgestellt, die nicht auf den ersten Blick ein gemeinsames Thema vermuten lassen: Taschen von Louis Vuitton, eine Plastikvagina als Trillerpfeife oder eine Packung Instantnudeln. Vermutlich soll ein klischeehafter „Made in China“-Eindruck erzeugt werden. Die Rückwand des Laufstegs ist mit einer Ornamentik aus den Farben Grün, Pink und Schwarz verziert. Wer sich die Mühe macht und das entsprechende Schild liest, welches den musealen Aspekt des Raumes unterstreicht, erfährt von der beabsichtigten Symbolik der Farben: Gewalt, Unterdrückung, Öl, Atomkraft und Blut. Nolens volens steht man mit beiden Beinen in der Gesellschaftskritik, die im Übrigen in rosa Plastiksäcken versteckt sind, die man vor dem Betreten der Location über die Schuhe ziehen musste.
Der Slang-Ausdruck „Banana“, so erklären Andrew Tay und Stephen Thompson in einem Interview, steht im negativen und positiven Sinne für „verwestlichte Asiaten“, also „innen weiß und außen gelb“. Mitten auf dem Laufsteg steht ein Podest mit einem blauen Toiletten-Pümpel und weißen Keramikfiguren à la chinesisches Porzellan. Die Zuschauer*innen beobachten sich auch gegenseitig, da sie teileweise einander gegenübersitzen. Die Selbst- und Fremdbeobachtung wird zum Teil der Selbstreflexion während der Performance.

„Kung Fu Fighting“ und „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“

Es wird dunkel, und über dem Publikum in der Luft hört man Hubschrauber kreisen. Auf dem Laufsteg erscheinen in dicke Jacken gehüllte Menschen. Die Mützen und Schals werden so getragen, dass keine Vorstellung von der Mimik oder den Gesichtsformen entstehen kann. Hin und wieder erkennt man im immer heller werdenden Raum ein Augenpaar. Die Bewegungen sind erst sehr langsam und fast statisch und werden immer schneller bis hin zu zügigen stereotypen Bewegungsmustern, die von Straucheln und Taumeln bis hin zu exaltierten Sprüngen reichen. Kaum hat sich die Zuschauer*in an das Prinzip der wechselnden Bewegungsmuster gewöhnt, ändert sich das Geschehen. Die Kleidung wird sukzessive abgelegt, und Objekte aus den besagten Ausstellungsvitrinen werden zur Schau getragen.

Das Ganze geschieht zu einem sehr schnellen Wechsel der asiatischen und pseudoasiatischen Musikbegleitung. Mal ertönt „Kung Fu Fighting (feat. Carl Douglas)“ von Bus Stop, mal „Queen of Chinatown“ von Amanda Lear. Um auch die deutsche Rassismusdebatte zu tangieren, werden das Lied „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ in der Interpretation von Kalle Klang und „Die Flohtöne“ angestimmt.
Die Klischees und stereotype Vorstellungen vom „Asiatischen“ sollen Stück für Stück abgelegt werden, wie die Kleider der Tänzer*innen im Laufe der Performance. Die folgende Darbietung ist eine extreme Ausreizung asiatischer Verhaltensklischees und Vorlieben. Mal werden koreanische K-Pop-Stars pantomimisch dargestellt, mal fotografierende asiatische Touristen*innen. Auch das Publikum wird mit fiktiven pantomimischen Heiratsanträgen oder Bitten ein Foto zu schießen involviert.

Flut aus Ironie, Surrealismus und Hohn

Mit einer beeindruckenden Körperlichkeit werden typische Klischees, aus der Perspektive einer weißen westlichen Sicht, dargestellt. Hierbei kommt der emotionale Aspekt des Themas nicht zu kurz. Man erkennt Wut, Verzweiflung, aber auch Glaube, Hoffnung und eine Prise Zärtlichkeit. So entsteht auf eine virtuose Art ein Spektrum menschlicher Affekte, dargestellt von sehr talentierten Tänzern*innen.

Glaube an die Möglichkeit einer besseren Welt

Der Raum wird mit Ironie, Surrealismus und Hohn förmlich geflutet. Papiergeld fliegt durch die Luft, und überdimensionierte Verpackungen von Instantnudeln werden wie Reliquien über den Laufsteg getragen. Die Performance der einzelnen Künstler*innen, die jeder für sich und selten in der Gruppe performen, kulminiert in einer Darstellung nackter und halbnackter Mitglieder der Gruppe und durch eine Vielzahl an zufälligen Objekten gebildeten Drachenfigur, die wie bei einer Prozession durch den Saal geführt wird.
Es sollte betont werden, dass trotz sehr ernster und für zahlreiche Menschen belastender Thematik der Aspekt von Humor und Glaube an die Möglichkeit einer besseren Welt mit Nichten zu kurz kommt. Zum Schluss verlangsamt sich die Dynamik stark, und die mittlerweile entblößten Performer*innen liegen auf dem Boden in anstrengenden Positionen. Die extrem verdrehten und ungemütlichen Yoga-Positionen imponieren, die Bewegungen werden langsam und leidend, als würden wir einen Sterbeprozess belgeiten. Der letzte Teil nimmt sehr viel Zeit ein, sodass sich manche Zuschauer*in umschaut und vielleicht nach Verständnis für das Unbehagen in den Blicken der anderen sucht.

Die Jalousien fahren hoch, die Künstler*innen stehen langsam auf und verschwinden gemeinsam hinter der grün-rosa-schwarzen Wand. Anfangs sind die Performer*innen in dicke Kleiderstücke gehüllt und später durch überzeichnete Stereotypen verdeckt, erst in der fast unerträglichen Stille und Nacktheit der Menschen gelingt ein unverfälschter und empathischer Blick auf die Performer*innen. Die Zuschauer*innen verlassen den Saal zum Schluss durch den Haupteingang und werden mit einem Sushi-Buffet für alle überrascht.

Dieser Text entstand im Rahmen einer Kooperation mit Studierenden des Instituts für Theaterwissenschaft an der LMU unter der Leitung von Anna Beke.

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