"Heimat"  von Roberta Pisu
"Heimat" von Roberta Pisu

Weltbürgerin im Pausenmodus

Roberta Pisu, Tänzerin beim Staatstheater am Gärtnerplatz, freischaffende Choreografin

Access to Dance, das Tanzportal für Bayern, befragt Choreograf*innen in Bayern zu ihrer Arbeit während der Pandemie. Roberta Pisu empfindet sich selbst als Weltbürgerin im Pausenmodus, der das eigene Wachsen als Künstlerin ebenso fehlt, wie die Unwiederholbarkeit einer Live-Performance.

München, 09/02/2021
Frau Pisu, im September konnte Ihr Crowdfunding-Projekt "Heimat" in der Münchner Philharmonie noch uraufgeführt werden. Hat sich Ihr Heimat-Begriff durch die weltweite Pandemie verändert?

Mein Konzept von Heimat entwickelt sich ständig weiter. Natürlich vermisse ich mehr denn je die Möglichkeit, mit meiner Familie zusammen zu sein. Aber ich habe während der Arbeit an „Heimat“ entdeckt, dass man sich als „Weltbürger“ immer neu erfinden und das mitnehmen kann, was es Gutes mit sich bringt, wenn man fernab von dem Ort ist, an dem man geboren wurde.

Inwiefern stellt die Pandemie Sie in Ihrer Kunstform Tanz vor Herausforderungen? Mit welchen Problemen kämpfen Sie?

Es war wohl nie leicht, Künstler zu sein, aber was wir jetzt erleben, ist sicher ein sehr schwieriges Kapitel in der Geschichte. Wir kämpfen mit vielen Schwierigkeiten: Wir können uns nicht gegenseitig berühren – eigentlich ein fundamentales Element im Tanz –, Probenstudios sind nur für kleine Gruppen zugänglich und und und… als Choreografin nimmt mir das Millionen an Möglichkeiten. Und natürlich: Alle Veranstaltungen sind abgesagt, was schlicht bedeutet, dass ich meine Arbeit nirgends anbieten und auch nicht als Künstlerin wachsen kann. Ich bin im Pausenmodus. Und habe doch so viel vor.

Setzen die variierenden Restriktionen – Kontaktbeschränkungen, angepasste Trainings- und Probensituationen – auch künstlerische Impulse frei oder dienen sogar als Inspiration?

Keine Frage: Ich musste tatsächlich in Richtungen gehen, in die ich wohl sonst nicht gegangen wäre. Aber ich fühle mich eher limitiert, als inspiriert.

Haben Sie neue künstlerische Formate entwickelt, die sonst nicht entstanden wären?

Die Einschränkungen durch die Pandemie haben das Format meiner letzten Arbeit „Heimat“ nicht direkt beeinflusst. Mein Plan war von Anfang an gewesen, dass der Abend in der Münchner Philharmonie stattfindet. Und zwar mit dem Publikum auf der Bühne, wie in einem Amphitheater, mit Blick in den Saal. Fast schon eine Verschwendung von Raum, aber ich wollte das etwas verlorene Gefühl darstellen, wenn man in die große Welt hineingeworfen wird. Dann kam Corona, und alle haben es gemacht. Pech!

Welche künstlerische Anpassung werden Sie auch nach der Pandemie beibehalten?


Ich werde auf jeden Fall beibehalten, mit einer kleinen Gruppe an Leuten zusammenzuarbeiten. Ich mag die Intimität sehr, die mit meinen Tänzer*innen entsteht. Und dass ich die Möglichkeit habe, jedem von ihnen ausreichend Zeit zu widmen.

Die Tanzwelt lebt derzeit von Live-Streams, Video-Konferenzen, Online-Trainings etc. Wieviel analoge Wirklichkeit braucht der Tanz noch in der Zukunft?


Mir ist bewusst, dass Tanzkompanien Technologien benutzen, um zu überleben, und um in der Tanzwelt Präsenz zu zeigen. Aber ich vermisse unglaublich die eigentliche Essenz unserer Arbeit: Die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit einer Live Performance. Ein Stream ist da nur ein schwacher Ersatz. Oder für mich – gar kein Ersatz. Aber ich muss zugeben, dass es doch auch Vorteile mit sich gebracht hat, sich während des Lockdowns mit Online-Trainings vom anderen Ende der Welt fitzuhalten, was sonst so nicht möglich wäre. Das können wir gerne behalten.

Welchen Einfluss hat die Pandemie auf Ihr privates Leben? Was vermissen Sie am meisten?


Die Pandemie hat sicherlich viele Aspekte in unser aller Leben beeinflusst. Ich bin ein sehr geselliger Mensch, und ich vermisse es, Zeit draußen mit meinen Kollegen und Freunden zu verbringen oder jemanden zum Essen nach Hause einzuladen, nach einem langen Tag am Theater.

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