München, 13/02/2021
Stephan Herwig, während die staatlichen Häuser im Herbst nahezu alle Vorstellungen absagen mussten, konnten Sie die Uraufführung Ihrer Produktion "In Feldern" Ende Oktober noch feiern. Welchen Stellenwert hatte diese für Sie?
Die Premiere fand tatsächlich am letzten Wochenende vor dem nun mehr dreimonatigen Lockdown statt. Ein großes Glück für mich, mein Stück noch zeigen zu dürfen. Ich fühlte eine besondere Wertschätzung während dieser Vorstellungen von Seiten aller Beteiligten, aber vor allem vom Publikum – da herrschte schon eine sehr besondere Stimmung.
Inwiefern stellt Sie die Pandemie in Ihrer Kunstform Tanz vor Herausforderungen? Mit welchen Problemen kämpfen Sie?
Das größte Problem ist sicherlich die Distanz für mich. Für eine Wiederaufnahme von „Rhythm & Silence“ im Sommer letzten Jahres mussten die Tänzer*innen immer einen Abstand von einem Meter einhalten. Auch wenn es im Original nur wenige Momente der wirklichen Berührung gab, so war doch eine Besonderheit des Stücks die physische Nähe der Tänzer*innen untereinander und eine Virtuosität, die daraus hervorging. Diese Stimmungen trotz Abständen aufrecht zu erhalten, war schon eine große Herausforderung. Im Moment planen wir munter ins Blaue hinein, nicht wissend, wann und ob unsere Projekte umsetzbar sein werden. 2021 ist für mich ein Jubiläumsjahr. Vor 15 Jahren brachte ich meine erste eigene Produktion „the sanctuary project“ heraus. Und so habe ich dieses Jahr einiges vor – von einer Wiederaufnahme, der Neubearbeitung eines Trios, bis hin zu einer Uraufführung mit dem Titel „The Lovers“ – wenn alles gut geht, im September auf der Bühne des neuen Schwere Reiter. Hinzu kommt, dass ich mit einem internationalen Team von Tänzer*innen aus verschiedenen Teilen Europas arbeite. Das alles bedeutet einen hohen Organisationsaufwand, der morgen schon wieder hinfällig sein kann.
Setzen die variierenden Restriktionen – Kontaktbeschränkungen, angepasste Trainings- und Probensituationen – auch künstlerische Impulse frei oder dienen sogar als Inspiration?
Mit Sicherheit. Einschränkungen setzen immer auch neues kreatives Potential frei. In meiner Arbeit setze ich mir gerne selbst Restriktionen. Zum Beispiel in Form eines sehr reduzierten Bewegungsvokabulars oder anhand des Verzichts auf Musik. Es ist aber natürlich ein immenser Unterschied, ob diese Restriktionen freigewählt, als ein künstlerisches Stilmittel eingesetzt, oder von außen auferlegt werden. Es ist ein Mythos, dass Künstler*innen besonders gute Arbeit unter prekären Umständen hervorbringen würden.
Haben Sie neue künstlerische Formate entwickelt, die sonst nicht entstanden wären?
Ich habe im ersten Lockdown mit dem Malen begonnen. Dies würde ich aber vielmehr als ein weiteres Experimentierfeld betrachten, ein neues Format ist das eher nicht. Ich hänge doch nach wie vor sehr an einem live dargebotenen Stück – in direktem Austausch mit einem Publikum. Den Körper über alle Sinne wahrzunehmen, das ist, was mich an der Kunstform Tanz fasziniert.
Welche künstlerische Anpassung werden Sie auch nach der Pandemie beibehalten?
Die Frage, ob wir uns für ein gemeinsames Arbeiten immer ganz selbstverständlich im gleichen Raum aufhalten müssen, wird sicherlich weiter Thema bleiben. Ich leite gerade die „Offenen Studios“ in der Tanztendenz; ein Format für Nachwuchskünstler*innen, die sich in Begleitung von Coaches ohne Produktionszwang ausprobieren können. Zum ersten Mal erkennen wir, dass es die Möglichkeit gibt, mit einem Coach zu arbeiten, der/die gerade nicht einmal im selben Land ist.
Die Tanzwelt lebt derzeit von Live-Streams, Video-Konferenzen, Online-Trainings etc. Wie viel analoge Wirklichkeit braucht der Tanz noch in der Zukunft?
Ein Flachbildschirm kann keinen realen, dreidimensionalen Raum ersetzen. Trotz aller HD-, 4K- und Virtual-Reality-Technik ist es doch ein Unterschied, ob man einem Menschen direkt und live gegenübersteht, sich einen gemeinsamen Raum teilt oder über ein digitales Medium wahrnimmt. In einer Live-Performance steckt auch immer ein gewisses Risiko, nicht zu wissen, wie ein Publikum reagiert. Da liegt eine Spannung in der Luft. Neue Medien sind tolle und spannende Errungenschaften, können aber ein reales Begegnen einfach nicht ersetzen.
Welchen Einfluss hat die Pandemie auf Ihr privates Leben? Was vermissen Sie am meisten?
Ich vermisse besonders die Museen – sich von anderen Künstler*innen inspirieren zu lassen, für die eigene Kunst und fürs Leben überhaupt. Und ich will wieder tanzen – in einem stickigen, dunklen Club gefüllt mit schwitzenden Körpern und einem treibenden Beat. YEAH!
Die Premiere fand tatsächlich am letzten Wochenende vor dem nun mehr dreimonatigen Lockdown statt. Ein großes Glück für mich, mein Stück noch zeigen zu dürfen. Ich fühlte eine besondere Wertschätzung während dieser Vorstellungen von Seiten aller Beteiligten, aber vor allem vom Publikum – da herrschte schon eine sehr besondere Stimmung.
Inwiefern stellt Sie die Pandemie in Ihrer Kunstform Tanz vor Herausforderungen? Mit welchen Problemen kämpfen Sie?
Das größte Problem ist sicherlich die Distanz für mich. Für eine Wiederaufnahme von „Rhythm & Silence“ im Sommer letzten Jahres mussten die Tänzer*innen immer einen Abstand von einem Meter einhalten. Auch wenn es im Original nur wenige Momente der wirklichen Berührung gab, so war doch eine Besonderheit des Stücks die physische Nähe der Tänzer*innen untereinander und eine Virtuosität, die daraus hervorging. Diese Stimmungen trotz Abständen aufrecht zu erhalten, war schon eine große Herausforderung. Im Moment planen wir munter ins Blaue hinein, nicht wissend, wann und ob unsere Projekte umsetzbar sein werden. 2021 ist für mich ein Jubiläumsjahr. Vor 15 Jahren brachte ich meine erste eigene Produktion „the sanctuary project“ heraus. Und so habe ich dieses Jahr einiges vor – von einer Wiederaufnahme, der Neubearbeitung eines Trios, bis hin zu einer Uraufführung mit dem Titel „The Lovers“ – wenn alles gut geht, im September auf der Bühne des neuen Schwere Reiter. Hinzu kommt, dass ich mit einem internationalen Team von Tänzer*innen aus verschiedenen Teilen Europas arbeite. Das alles bedeutet einen hohen Organisationsaufwand, der morgen schon wieder hinfällig sein kann.
Setzen die variierenden Restriktionen – Kontaktbeschränkungen, angepasste Trainings- und Probensituationen – auch künstlerische Impulse frei oder dienen sogar als Inspiration?
Mit Sicherheit. Einschränkungen setzen immer auch neues kreatives Potential frei. In meiner Arbeit setze ich mir gerne selbst Restriktionen. Zum Beispiel in Form eines sehr reduzierten Bewegungsvokabulars oder anhand des Verzichts auf Musik. Es ist aber natürlich ein immenser Unterschied, ob diese Restriktionen freigewählt, als ein künstlerisches Stilmittel eingesetzt, oder von außen auferlegt werden. Es ist ein Mythos, dass Künstler*innen besonders gute Arbeit unter prekären Umständen hervorbringen würden.
Haben Sie neue künstlerische Formate entwickelt, die sonst nicht entstanden wären?
Ich habe im ersten Lockdown mit dem Malen begonnen. Dies würde ich aber vielmehr als ein weiteres Experimentierfeld betrachten, ein neues Format ist das eher nicht. Ich hänge doch nach wie vor sehr an einem live dargebotenen Stück – in direktem Austausch mit einem Publikum. Den Körper über alle Sinne wahrzunehmen, das ist, was mich an der Kunstform Tanz fasziniert.
Welche künstlerische Anpassung werden Sie auch nach der Pandemie beibehalten?
Die Frage, ob wir uns für ein gemeinsames Arbeiten immer ganz selbstverständlich im gleichen Raum aufhalten müssen, wird sicherlich weiter Thema bleiben. Ich leite gerade die „Offenen Studios“ in der Tanztendenz; ein Format für Nachwuchskünstler*innen, die sich in Begleitung von Coaches ohne Produktionszwang ausprobieren können. Zum ersten Mal erkennen wir, dass es die Möglichkeit gibt, mit einem Coach zu arbeiten, der/die gerade nicht einmal im selben Land ist.
Die Tanzwelt lebt derzeit von Live-Streams, Video-Konferenzen, Online-Trainings etc. Wie viel analoge Wirklichkeit braucht der Tanz noch in der Zukunft?
Ein Flachbildschirm kann keinen realen, dreidimensionalen Raum ersetzen. Trotz aller HD-, 4K- und Virtual-Reality-Technik ist es doch ein Unterschied, ob man einem Menschen direkt und live gegenübersteht, sich einen gemeinsamen Raum teilt oder über ein digitales Medium wahrnimmt. In einer Live-Performance steckt auch immer ein gewisses Risiko, nicht zu wissen, wie ein Publikum reagiert. Da liegt eine Spannung in der Luft. Neue Medien sind tolle und spannende Errungenschaften, können aber ein reales Begegnen einfach nicht ersetzen.
Welchen Einfluss hat die Pandemie auf Ihr privates Leben? Was vermissen Sie am meisten?
Ich vermisse besonders die Museen – sich von anderen Künstler*innen inspirieren zu lassen, für die eigene Kunst und fürs Leben überhaupt. Und ich will wieder tanzen – in einem stickigen, dunklen Club gefüllt mit schwitzenden Körpern und einem treibenden Beat. YEAH!
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