München, 26/01/2021
Bereits zum vierten Mal in Folge kuratierte Nina Hümpel das Festival. Anders als in der letzten Ausgabe gab es in diesem Jahr keinen regionalen, sondern einen thematischen Schwerpunkt: „Wie wollen wir miteinander kommunizieren?“ und „Wie wollen wir miteinander leben?“ galten als Leitfragen für die Zusammenstellung des Programms.
Zur Eröffnung am 16. Mai zeigte DANCE William Forsythes „A Quiet Evening of Dance”. Der Abend befasst sich mit dem Ursprung des klassischen Tanzes und seiner zeitgenössischen Neuinterpretation. Der erste Teil, komplett in Stille getanzt, war aus einigen von Forsythes älteren Choreografien zusammengesetzt, die neu bearbeitet wurden, darunter das Duett „Dialogue (DUO2015)“, das bereits 1996 entstand, und Catalogue (Second Edition). Im zweiten Teil tanzte die Kompanie „Seventeen / Twenty One“, das sich mit den Anfängen des klassischen Tanzes befasst, und „Epilogue“, in dem das barocke Ballett auf den zeitgenössischen Breakdance trifft.
Wie auch 2017 zeigte die Kompanie des Staatstheaters am Gärtnerplatz eine neue Ausgabe des Formats „Minutemade for DANCE“. In nur jeweils fünf Tagen erarbeiteten Kat Válastur, Daina Ashbee und Eisa Jocson eine Choreografie, die jeweils an das Ende der Arbeiten der Kolleginnen anknüpfte. Den imposanten Soundtrack komponierte Polina Lapkovskaja alias Pollyester als Live Act auf der Bühne.
Zum Thema Missverhältnis in der Kommunikation arbeitete Jasmine Ellis: In einer Kooperation mit dem Münchner Residenztheater zeigte die in München lebende Kanadierin die Uraufführung „Toni Is Lonely“. In der Performance erlebt ein Schauspieler im Verhältnis zur Gruppe der Tänzer*innen Momente der Einsamkeit.
Einen kontrastreichen Doppelabend mit zwei Stücken bot die kanadische Choreografin Marie Chouinard. „Les 24 Préludes de Chopin“ (1999), sowohl auf musikalischer als auch auf tänzerischer Ebene leichtfüßig und harmonisch, zeigt in kurzen Sequenzen Soli, Duette, Trios und Gruppenchoreografien. In „Henri Micheaux: Mouvements“ (2011) hingegen interpretieren die Tänzer*innen in einer intensiven Gruppenperformance zu einem harten, sich steigernden Beat, in kraftvoller und energetischer Weise Tuschezeichnungen des französischen Malers, die live auf die Bühne projiziert werden.
Lia Rodrigues, die seit 2004 mit ihrer Kompanie in der Favela Maré bei Rio de Janeiro arbeitet, präsentierte mit „Fúria“ eine aufwühlende und politisch brisante Choreografie. Zu einem martialischen, sich ständig wiederholenden Trommelklang agieren die Tänzer*innen in der Gruppe, zeigen Momente der Gewalt, der Unterdrückung durch die Oberschicht und der Revolte dagegen.
In Gisèle Viennes „Crowd“ wird die Atmosphäre eines Elektroclubs reproduziert. 15 Tänzer*innen erzählen in Slow-Motion-Bewegungen von Liebe und Aggressivität, von Sex, Ernüchterung und Einsamkeit. Als „ein berührendes Genre-Bild“ bezeichneten Eva-Elisabeth Fischer und Rita Argauer Viennes Stück in der Süddeutschen Zeitung.
Zum wiederholten Mal bei DANCE war Richard Siegal, der mit seinem neuen Stück „Roughhouse“, ein Projekt mit Tänzer*innen seiner Kompanie Ballet of Difference und Schauspieler*innen der Städtischen Bühnen Köln, das Publikum zu Teilen irritierte. Changierend zwischen Schauspiel und Tanz verhandelt die Gruppe zu Siegals eigenen Texten die zerfallende Kommunikation in den modernen Medien. In Kooperation mit dem zeitgleich in München stattfindenden DOK.fest lief ergänzend Benedict Mirows Film über Siegals Kompanie, das Ballet of Difference.
Das Thema Kommunikation wurde auch in den öffentlichen Raum Münchens hineingespielt. Die Münchner Choreografin Ceren Oran feierte mit ihren Tänzer*innen in „Who ist Frau Troffea?“ einen Tanzmarathon. An elf Festivaltagen tanzte die Gruppe an verschiedenen Orten Münchens, u.a. am Wiener Platz in Haidhausen, vor dem Lenbachhaus in der Maxvorstadt und im Kreativquartier München, wo die letzten drei Tage von DANCE beschlossen wurden. Verschiedene interdisziplinäre Künstlerinitiativen öffneten hier im Rahmen von „Come Together! Right Now!“ ihre Türen für die Festivalbesucher*innen und Münchner Bürger*innen, präsentierten ihre Arbeit und boten Workshops an. Ergänzt wurden die Veranstaltungen u.a. mit einer öffentlichen Tanzfläche, einem Diskursprogramm zum Thema Urban Areas und der Abschlussparty im schwere reiter.
Vor allem aber fanden im Kreativquartier zwei internationale Uraufführungen statt. Die Kanadier Peter Trosztmer und Zack Settel boten mit „BetweenTheDotsBeta“ ein Augmented-Reality-Stück an, in dem die Besucher*innen selbst zu Akteur*innen der Perfomance im halb-virtuellen Raum werden konnten. Der chinesische Choreograf Yang Zhen zeigte hier bereits seine zweite Uraufführung bei DANCE. Im schrill-asiatischen Bühnenbild verhandelt „Delta“ das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher kultureller Prägung im Ballungsraum des Pearl-River-Deltas in Guangzhou, Hongkong und Macau.
Am ersten Festivalwochenende veranstaltete Katja Schneider ein dreitägiges Symposium mit dem Titel „Kontext/Kollisionen.“ In verschiedenen Panels wurde über die ästhetischen Konzepte und gesellschaftspolitischen Fragestellungen der eingeladenen Produktionen reflektiert, u.a. mit Beteiligung von eingeladenen Choreograf*innen.
Im Rahmen des sogenannten „Archivs in Bewegung“ initiierten Brygida Ochaim und Thomas Betz mit der „DANCE History Tour“, ein weiteres erfolgreiches Format. Täglich konnten sich die Besucher*innen in speziell zusammengestellten Fahrradtouren, geführt von Studierenden der Theaterwissenschaft, auf die Spuren der modernen Tanzgeschichte Münchens (1900-1919) begeben. Die Tour machte erlebbar, dass München schon einmal als Tanzstadt leuchtete. Dass das 100 Jahre später wieder der Fall ist, machte DANCE 2019 „angesichts bestens besuchter Aufführungen und der Diskussionen danach“ deutlich (Eva-Elisabeth Fischer und Rita Argauer, Süddeutsche Zeitung).
DANCE 2019, 16. Internationales Festival für zeitgenössischen Tanz der Landeshauptstadt München
Veranstalter: Kulturreferat der LH München (Kulturreferent: Dr. Hans-Georg Küppers)
in Zusammenarbeit mit: Spielmotor München e. V.
Kooperationspartner, Förderer, Koproduzenten: Access to Dance, DOK.fest München, Gasteig München GmbH, Goethe-Institut, LMU München, Muffatwerk, Residenztheater, schwere reiter, Speiserei im Müller´schen Volksbad, Staatstheater am Gärtnerplatz, Vertretung der Regierung von Québec – Berlin, Meta Theater,
Künstlerische Leitung: Nina Hümpel
Künstlerische Beratung: Dieter Buroch
Text und Dramaturgie: Dr. Katja Schneider
Spielorte: Gasteig (Carl-Orff-Saal), Muffatwerk (Muffathalle), Residenztheater (Marstall), Kreativquartier (schwere reiter, MUCCA), Audimax HFF, Rio Filmpalast & diverse Orte im öffentlichen Raum Münchens
Festivalzentrum: Speiserei im Müller’schen Volksbad
Zeitraum: 16. bis 26. Mai 2019
Begleitprogramm: „DANCE History Tour – Fahrradtour zu Personen und Orten der Münchner Tanzgeschichte (1900-1919)“, Konzept und Gestaltung: Brygida Ochaim, Thomas Betz; Produktionsleitung: Gina Penzkofer // “Come Together! Right Now! – DANCE im Kreativquartier”, eine partizipative Veranstaltungsreihe mit Tanz, Performance, Diskurs und Clubnacht in Zusammenarbeit mit diversen ansässigen Künstlerinitiativen, 24.-26. Mai // Symposium „Kontext / Kollisionen“, moderiert von Dr. Katja Schneider, 17.-19. Mai in der Studiobühne der Theaterwissenschaft
Von Peter Sampel
Zur Eröffnung am 16. Mai zeigte DANCE William Forsythes „A Quiet Evening of Dance”. Der Abend befasst sich mit dem Ursprung des klassischen Tanzes und seiner zeitgenössischen Neuinterpretation. Der erste Teil, komplett in Stille getanzt, war aus einigen von Forsythes älteren Choreografien zusammengesetzt, die neu bearbeitet wurden, darunter das Duett „Dialogue (DUO2015)“, das bereits 1996 entstand, und Catalogue (Second Edition). Im zweiten Teil tanzte die Kompanie „Seventeen / Twenty One“, das sich mit den Anfängen des klassischen Tanzes befasst, und „Epilogue“, in dem das barocke Ballett auf den zeitgenössischen Breakdance trifft.
Wie auch 2017 zeigte die Kompanie des Staatstheaters am Gärtnerplatz eine neue Ausgabe des Formats „Minutemade for DANCE“. In nur jeweils fünf Tagen erarbeiteten Kat Válastur, Daina Ashbee und Eisa Jocson eine Choreografie, die jeweils an das Ende der Arbeiten der Kolleginnen anknüpfte. Den imposanten Soundtrack komponierte Polina Lapkovskaja alias Pollyester als Live Act auf der Bühne.
Zum Thema Missverhältnis in der Kommunikation arbeitete Jasmine Ellis: In einer Kooperation mit dem Münchner Residenztheater zeigte die in München lebende Kanadierin die Uraufführung „Toni Is Lonely“. In der Performance erlebt ein Schauspieler im Verhältnis zur Gruppe der Tänzer*innen Momente der Einsamkeit.
Einen kontrastreichen Doppelabend mit zwei Stücken bot die kanadische Choreografin Marie Chouinard. „Les 24 Préludes de Chopin“ (1999), sowohl auf musikalischer als auch auf tänzerischer Ebene leichtfüßig und harmonisch, zeigt in kurzen Sequenzen Soli, Duette, Trios und Gruppenchoreografien. In „Henri Micheaux: Mouvements“ (2011) hingegen interpretieren die Tänzer*innen in einer intensiven Gruppenperformance zu einem harten, sich steigernden Beat, in kraftvoller und energetischer Weise Tuschezeichnungen des französischen Malers, die live auf die Bühne projiziert werden.
Lia Rodrigues, die seit 2004 mit ihrer Kompanie in der Favela Maré bei Rio de Janeiro arbeitet, präsentierte mit „Fúria“ eine aufwühlende und politisch brisante Choreografie. Zu einem martialischen, sich ständig wiederholenden Trommelklang agieren die Tänzer*innen in der Gruppe, zeigen Momente der Gewalt, der Unterdrückung durch die Oberschicht und der Revolte dagegen.
In Gisèle Viennes „Crowd“ wird die Atmosphäre eines Elektroclubs reproduziert. 15 Tänzer*innen erzählen in Slow-Motion-Bewegungen von Liebe und Aggressivität, von Sex, Ernüchterung und Einsamkeit. Als „ein berührendes Genre-Bild“ bezeichneten Eva-Elisabeth Fischer und Rita Argauer Viennes Stück in der Süddeutschen Zeitung.
Zum wiederholten Mal bei DANCE war Richard Siegal, der mit seinem neuen Stück „Roughhouse“, ein Projekt mit Tänzer*innen seiner Kompanie Ballet of Difference und Schauspieler*innen der Städtischen Bühnen Köln, das Publikum zu Teilen irritierte. Changierend zwischen Schauspiel und Tanz verhandelt die Gruppe zu Siegals eigenen Texten die zerfallende Kommunikation in den modernen Medien. In Kooperation mit dem zeitgleich in München stattfindenden DOK.fest lief ergänzend Benedict Mirows Film über Siegals Kompanie, das Ballet of Difference.
Das Thema Kommunikation wurde auch in den öffentlichen Raum Münchens hineingespielt. Die Münchner Choreografin Ceren Oran feierte mit ihren Tänzer*innen in „Who ist Frau Troffea?“ einen Tanzmarathon. An elf Festivaltagen tanzte die Gruppe an verschiedenen Orten Münchens, u.a. am Wiener Platz in Haidhausen, vor dem Lenbachhaus in der Maxvorstadt und im Kreativquartier München, wo die letzten drei Tage von DANCE beschlossen wurden. Verschiedene interdisziplinäre Künstlerinitiativen öffneten hier im Rahmen von „Come Together! Right Now!“ ihre Türen für die Festivalbesucher*innen und Münchner Bürger*innen, präsentierten ihre Arbeit und boten Workshops an. Ergänzt wurden die Veranstaltungen u.a. mit einer öffentlichen Tanzfläche, einem Diskursprogramm zum Thema Urban Areas und der Abschlussparty im schwere reiter.
Vor allem aber fanden im Kreativquartier zwei internationale Uraufführungen statt. Die Kanadier Peter Trosztmer und Zack Settel boten mit „BetweenTheDotsBeta“ ein Augmented-Reality-Stück an, in dem die Besucher*innen selbst zu Akteur*innen der Perfomance im halb-virtuellen Raum werden konnten. Der chinesische Choreograf Yang Zhen zeigte hier bereits seine zweite Uraufführung bei DANCE. Im schrill-asiatischen Bühnenbild verhandelt „Delta“ das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher kultureller Prägung im Ballungsraum des Pearl-River-Deltas in Guangzhou, Hongkong und Macau.
Am ersten Festivalwochenende veranstaltete Katja Schneider ein dreitägiges Symposium mit dem Titel „Kontext/Kollisionen.“ In verschiedenen Panels wurde über die ästhetischen Konzepte und gesellschaftspolitischen Fragestellungen der eingeladenen Produktionen reflektiert, u.a. mit Beteiligung von eingeladenen Choreograf*innen.
Im Rahmen des sogenannten „Archivs in Bewegung“ initiierten Brygida Ochaim und Thomas Betz mit der „DANCE History Tour“, ein weiteres erfolgreiches Format. Täglich konnten sich die Besucher*innen in speziell zusammengestellten Fahrradtouren, geführt von Studierenden der Theaterwissenschaft, auf die Spuren der modernen Tanzgeschichte Münchens (1900-1919) begeben. Die Tour machte erlebbar, dass München schon einmal als Tanzstadt leuchtete. Dass das 100 Jahre später wieder der Fall ist, machte DANCE 2019 „angesichts bestens besuchter Aufführungen und der Diskussionen danach“ deutlich (Eva-Elisabeth Fischer und Rita Argauer, Süddeutsche Zeitung).
DANCE 2019, 16. Internationales Festival für zeitgenössischen Tanz der Landeshauptstadt München
Veranstalter: Kulturreferat der LH München (Kulturreferent: Dr. Hans-Georg Küppers)
in Zusammenarbeit mit: Spielmotor München e. V.
Kooperationspartner, Förderer, Koproduzenten: Access to Dance, DOK.fest München, Gasteig München GmbH, Goethe-Institut, LMU München, Muffatwerk, Residenztheater, schwere reiter, Speiserei im Müller´schen Volksbad, Staatstheater am Gärtnerplatz, Vertretung der Regierung von Québec – Berlin, Meta Theater,
Künstlerische Leitung: Nina Hümpel
Künstlerische Beratung: Dieter Buroch
Text und Dramaturgie: Dr. Katja Schneider
Spielorte: Gasteig (Carl-Orff-Saal), Muffatwerk (Muffathalle), Residenztheater (Marstall), Kreativquartier (schwere reiter, MUCCA), Audimax HFF, Rio Filmpalast & diverse Orte im öffentlichen Raum Münchens
Festivalzentrum: Speiserei im Müller’schen Volksbad
Zeitraum: 16. bis 26. Mai 2019
Begleitprogramm: „DANCE History Tour – Fahrradtour zu Personen und Orten der Münchner Tanzgeschichte (1900-1919)“, Konzept und Gestaltung: Brygida Ochaim, Thomas Betz; Produktionsleitung: Gina Penzkofer // “Come Together! Right Now! – DANCE im Kreativquartier”, eine partizipative Veranstaltungsreihe mit Tanz, Performance, Diskurs und Clubnacht in Zusammenarbeit mit diversen ansässigen Künstlerinitiativen, 24.-26. Mai // Symposium „Kontext / Kollisionen“, moderiert von Dr. Katja Schneider, 17.-19. Mai in der Studiobühne der Theaterwissenschaft
Von Peter Sampel
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