München, 11/05/2019
Die „neue“ Kuratorin Bettina Wagner-Bergelt – Mitbegründerin und 1987 erste Kuratorin des Festivals sowie seit Jahren stellvertretende Direktorin des Bayerischen Staatsballetts – startete mit einem vierteiligen „Eröffnungsmarathon“, der die ganze Bandbreite des Programms andeutete, das über zwei Jahrzehnte Geschichte und Gegenwart der Moderne im Tanz reflektierte. Einen vollen Kinotag lang waren Tanzfilme und Dokumentationen zu bedeutenden zeitgenössischen ChoreographInnen zu sehen. Und der in London arbeitende israelische Choreograph Hofesh Shechter präsentierte am Eröffnungsabend und tags darauf in zwei Programmen größere Arbeiten für seine eigene Kompanie. Ein interaktives Tanzstück für Zuschauer ab 5 Jahren, „Der japanische Garten“, des italienischen Ensembles TPO erweiterte am Eröffnungstag die Zielgruppe ebenso wie „Don Q.“, die Quichotte-Choreographie von Christian Spuck mit Egon Madsen und Eric Gauthier in der SchauBurg. Tanz für ein junges Publikum – ein Anliegen Wagner-Bergelts wie auch des neuen Kulturreferenten Hans-Georg Küppers – bot schon seit Mitte Oktober das neue Festivalformat „DANCE 4 kids“.
Wie oft zuvor war das Gärtnerplatz-Ensemble mit dabei, 2006 noch mit Philip Taylor, nun mit Choreographien des neuen Leiters Hans Henning Paar sowie von Agnès Nolténius, Marco Goecke und William Forsythe. Chris Ziegler konnte seine Arbeit bei der vorigen Ausgabe fortsetzen und präsentierte „forest 2“. In einem Wald aus Leuchtstoffröhren konnte das Publikum sich zu Texten auf der Basis von Shakespeares „Midsummer Night’s Dream“ und Ovids „Metamorphosen“ und Musik von Torsten Brandes mit der Tänzerin Friederike Plafki als Puck die interaktive Lichtarchitektur erforschen. In einer Uraufführung der Britin Rosemary Butcher agierte auf einer weißen Fläche die weiß gekleidete Tänzerin Elena Gianotti vor einer weißen Leinwand, auf die elementare geometrische Formen-Konstellationen projiziiert wurden. „Episodes of Flight“ basierte auf einer Recherche-Reise Butchers in die USA zu ihren Inspirationsquellen der Vergangenheit und der Gegenwart und war zugleich eine Recherche im eigenen künstlerischen Archiv. Ein dezidiert unterhaltsames Cross-over von Videoprojektion und Tanz, eine trickreiche Verschmelzung des Virtuellen, Realen und Imaginären boten Bridgemann/Packer Dance mit „Trilogy“. Dieser Illusionskunst widmeten sich auch zwei Beiträge des theaterwissenschaftlichen Symposiums, einer der Interaktivität bei Chris Ziegler (Die Publikation „Gegenwelten“ erschien bei Henschel 2009).
Ein Highlight des umfangreichen Rahmenprogramms war die „Lange Nacht des Tanzes“ im Nationaltheater, mit einem Dreierabend aus dem Repertoire des Staatsballetts – mit prominenten Stücken der Neoklassiker Hans van Manen und Martin Schläpfer sowie einer tanztheatralen Studie von Simone Sandroni –, sowie danach einer zweistündigen, vielstimmigen Demonstration zur Geschichte der Moderne im Tanz, die das Publikum aus nächster Nähe auf der Hauptbühne verfolgen konnte. Nochmals war das Staatsballett als Veranstalter vertreten mit einem Gastspiel von Nacho Duatos Compañia Nacional de Danza, die den Modern Dance in ganz eigener Prägung und mit faszinierendem Bewegungsfluss perfektioniert hat. Ein zeitgenössischer Klassiker, Wim Vandekeybus, komponierte aus Fragmenten früherer Stücke, im Rückblick auf 20 Jahre multidisziplinärer Arbeit mit seiner Gruppe Ultima Vez, das Stück „Spiegel“ und stellte damit die physische Energetik und die Emotionalität seines Werks erneut auf die Probe. Mit höchster Energie und virtuoser Mobilität ausgestattet waren die Street Dancer aus dem brasilianischen Niterói, für die Bruno Beltrão ein Amalgam aus HipHop und zeitgenössischem Tanz choreographierte. Existenziellen Fragen des Zusammenlebens widmete sich die Cie Bernardo Montet, die Uraufführung von „Apertae“ freilich „fischte noch trübe in einem Konzept-Rohzustand“, so Kritikerin Malve Gradinger, in der neuen Produktion von VA Wölfl / Neuer Tanz hingegen, einem inszenierten Konzert zum Thema Krieg und Unterhaltungsindustrie, „war alles hochgradig durchdacht und feinstgeschliffen bis in die Stimmbänder, bis in die sich überlagernden Klang- und (Moderatoren-)Wortströme hinein“ („tanznetz“, 8.11.2008).
Mit Stimmen und Gesang spielte die Deborah Hay Dance Company in dem Tanzstück „If I Sing To You“, das 2008 von William Forsythe produziert wurde; die Mitbegründerin des Judson Dance Theater konstruierte in den präzisen Verschlingungen der diversen Scores der Tänzerinnen ein Wahrnehmungsexperiment nicht ohne Humor. Ein kurioses Vexierspiel mit der Wahrnehmung der ZuschauerInnen boten die – fast – bewegungslosen Posen über einstündigen Stillstands, die Ivana Müller in „While We Were Holding It Together“ choreographierte, denn Sprache, Geräusche und Blackouts versetzten im Kopf die Figuren in angenommene Situationen. Aus Sprachspielen erstehen bei der britischen Performerin Wendy Houston Erinnerungen, Sehnsüchte, Begegnungen oder Nachrichten aus der Welt, die sie zu einer One-Woman-Show mixte; erzählt wird von der sprichwörtlich einsamen Insel aus, dem Ich, das sich kaum erkunden lässt. Einen kollektiven Blick zurück aus weiblicher Perspektive warf „A Glimpse of Hope“ von Déjà Donné, dem choreographischen Duo Lenka Flory und Simone Sandroni. Ein KünstlerInnen-Duo formieren auch WILHELM GROENER, deren Uraufführung von „Hotel Hassler“ ebenfalls mit Vexierbildern konfrontierte, wenn die drei Performer seltsame Posen und Aktionen erleiden oder am anderen herbeiführen. Als fünfte Uraufführung des Festivals forschte „Ausgenommen die Hunde“ des Münchner Tänzers und Choreographen Stefan Dreher nach dem Ungehorsam im Tanz und widmete sich in einer begehbaren Probeninstallation wie in den Performances inszenierten Spiegelungen menschlichen und tierischen Verhaltens.
2008, 11. Internationales Festival des zeitgenössischen Tanzes der Landeshauptstadt München
Veranstalter: Kulturreferat des LH München, Kulturreferentin: Dr. Hans-Georg Küppers, Abteilung „Kulturelle Veranstaltungen und Programme“: Hagen Kling
Mitveranstalter: Spielmotor München e. V. in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsballett, Staatstheater am Gärtnerplatz, SchauBurg am Elisabethplatz, i-camp / Neues Theater München
Festivalpartner: Regierung von Québec, Conseil des Arts et des Lettres du Québec, Botschaft von Kanada in Berlin, Bureau du Theâtre et de la Danse / Französische Botschaft, CULTURESFRANCE, Institut Français, Instituto Cervantes, Institut Ramon Llull, Haus der Kunst, Akademie der Bildenden Künste München, P.A.R.T.S., British Council, Muffatwerk, Tanz und Schule e.V., Access to Dance e.V., Joint Adventures, Tanztendenz München, Münchner Volkshochschule, Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum, Stadtforum München, Gasteig München GmbH., E.ON Energie, Münchner Stadtbibliothek, Iwanson-Sixt Stiftung
Künstlerische Leitung: Bettina Wagner-Bergelt
Spielorte: Muffatwerk, i-camp / Neues Theater München, SchauBurg, Staatstheater am Gärtnerplatz, Gasteig (Carl-Orff-Saal, Black Box), Nationaltheater, Prinzregententheater, Piazza E.ON Energie, Filmmuseum, Haus der Kunst, Akademie der Bildenden Künste, Neues Arena Kino, schwere reiter
Zeitraum: 25. Oktober bis 8. November 2008
Begleitprogramm: „DANCE 4 kids“ in der SchauBurg am Elisabethplatz; „Lange Nacht des Tanzes“ des Bayerischen Staatsballetts; Marjolaine Boonstra: „What Keeps Mankind alive“, Film-Installation und Ausstellung in der Black Box; Filmprogramm „Paysages Chorégraphiques“, Neues Arena Kino; „Junger Tanz“ der Schule Iwanson Dance; Workshop „Body Territories“ mit Uma Bauer und Thomas Lehmen im Schwere reiter; Symposium „TanzGegenWelten“in der Evangelischen Akademie Tutzing; Symposium „GegenWelten“ des Forschungszentrum Sound and Movement des ITW der LMU; Stadtteilprojekt „GegenWelten“ mit SchülerInnen, Access to Dance; Internet-TV-Dokumentation bei tanznetz.de; Clubs im Café Muffathalle; Parkour-Demonstrationen, Konzert „...schsch“ mit 48nord im Ampere
Wie oft zuvor war das Gärtnerplatz-Ensemble mit dabei, 2006 noch mit Philip Taylor, nun mit Choreographien des neuen Leiters Hans Henning Paar sowie von Agnès Nolténius, Marco Goecke und William Forsythe. Chris Ziegler konnte seine Arbeit bei der vorigen Ausgabe fortsetzen und präsentierte „forest 2“. In einem Wald aus Leuchtstoffröhren konnte das Publikum sich zu Texten auf der Basis von Shakespeares „Midsummer Night’s Dream“ und Ovids „Metamorphosen“ und Musik von Torsten Brandes mit der Tänzerin Friederike Plafki als Puck die interaktive Lichtarchitektur erforschen. In einer Uraufführung der Britin Rosemary Butcher agierte auf einer weißen Fläche die weiß gekleidete Tänzerin Elena Gianotti vor einer weißen Leinwand, auf die elementare geometrische Formen-Konstellationen projiziiert wurden. „Episodes of Flight“ basierte auf einer Recherche-Reise Butchers in die USA zu ihren Inspirationsquellen der Vergangenheit und der Gegenwart und war zugleich eine Recherche im eigenen künstlerischen Archiv. Ein dezidiert unterhaltsames Cross-over von Videoprojektion und Tanz, eine trickreiche Verschmelzung des Virtuellen, Realen und Imaginären boten Bridgemann/Packer Dance mit „Trilogy“. Dieser Illusionskunst widmeten sich auch zwei Beiträge des theaterwissenschaftlichen Symposiums, einer der Interaktivität bei Chris Ziegler (Die Publikation „Gegenwelten“ erschien bei Henschel 2009).
Ein Highlight des umfangreichen Rahmenprogramms war die „Lange Nacht des Tanzes“ im Nationaltheater, mit einem Dreierabend aus dem Repertoire des Staatsballetts – mit prominenten Stücken der Neoklassiker Hans van Manen und Martin Schläpfer sowie einer tanztheatralen Studie von Simone Sandroni –, sowie danach einer zweistündigen, vielstimmigen Demonstration zur Geschichte der Moderne im Tanz, die das Publikum aus nächster Nähe auf der Hauptbühne verfolgen konnte. Nochmals war das Staatsballett als Veranstalter vertreten mit einem Gastspiel von Nacho Duatos Compañia Nacional de Danza, die den Modern Dance in ganz eigener Prägung und mit faszinierendem Bewegungsfluss perfektioniert hat. Ein zeitgenössischer Klassiker, Wim Vandekeybus, komponierte aus Fragmenten früherer Stücke, im Rückblick auf 20 Jahre multidisziplinärer Arbeit mit seiner Gruppe Ultima Vez, das Stück „Spiegel“ und stellte damit die physische Energetik und die Emotionalität seines Werks erneut auf die Probe. Mit höchster Energie und virtuoser Mobilität ausgestattet waren die Street Dancer aus dem brasilianischen Niterói, für die Bruno Beltrão ein Amalgam aus HipHop und zeitgenössischem Tanz choreographierte. Existenziellen Fragen des Zusammenlebens widmete sich die Cie Bernardo Montet, die Uraufführung von „Apertae“ freilich „fischte noch trübe in einem Konzept-Rohzustand“, so Kritikerin Malve Gradinger, in der neuen Produktion von VA Wölfl / Neuer Tanz hingegen, einem inszenierten Konzert zum Thema Krieg und Unterhaltungsindustrie, „war alles hochgradig durchdacht und feinstgeschliffen bis in die Stimmbänder, bis in die sich überlagernden Klang- und (Moderatoren-)Wortströme hinein“ („tanznetz“, 8.11.2008).
Mit Stimmen und Gesang spielte die Deborah Hay Dance Company in dem Tanzstück „If I Sing To You“, das 2008 von William Forsythe produziert wurde; die Mitbegründerin des Judson Dance Theater konstruierte in den präzisen Verschlingungen der diversen Scores der Tänzerinnen ein Wahrnehmungsexperiment nicht ohne Humor. Ein kurioses Vexierspiel mit der Wahrnehmung der ZuschauerInnen boten die – fast – bewegungslosen Posen über einstündigen Stillstands, die Ivana Müller in „While We Were Holding It Together“ choreographierte, denn Sprache, Geräusche und Blackouts versetzten im Kopf die Figuren in angenommene Situationen. Aus Sprachspielen erstehen bei der britischen Performerin Wendy Houston Erinnerungen, Sehnsüchte, Begegnungen oder Nachrichten aus der Welt, die sie zu einer One-Woman-Show mixte; erzählt wird von der sprichwörtlich einsamen Insel aus, dem Ich, das sich kaum erkunden lässt. Einen kollektiven Blick zurück aus weiblicher Perspektive warf „A Glimpse of Hope“ von Déjà Donné, dem choreographischen Duo Lenka Flory und Simone Sandroni. Ein KünstlerInnen-Duo formieren auch WILHELM GROENER, deren Uraufführung von „Hotel Hassler“ ebenfalls mit Vexierbildern konfrontierte, wenn die drei Performer seltsame Posen und Aktionen erleiden oder am anderen herbeiführen. Als fünfte Uraufführung des Festivals forschte „Ausgenommen die Hunde“ des Münchner Tänzers und Choreographen Stefan Dreher nach dem Ungehorsam im Tanz und widmete sich in einer begehbaren Probeninstallation wie in den Performances inszenierten Spiegelungen menschlichen und tierischen Verhaltens.
2008, 11. Internationales Festival des zeitgenössischen Tanzes der Landeshauptstadt München
Veranstalter: Kulturreferat des LH München, Kulturreferentin: Dr. Hans-Georg Küppers, Abteilung „Kulturelle Veranstaltungen und Programme“: Hagen Kling
Mitveranstalter: Spielmotor München e. V. in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsballett, Staatstheater am Gärtnerplatz, SchauBurg am Elisabethplatz, i-camp / Neues Theater München
Festivalpartner: Regierung von Québec, Conseil des Arts et des Lettres du Québec, Botschaft von Kanada in Berlin, Bureau du Theâtre et de la Danse / Französische Botschaft, CULTURESFRANCE, Institut Français, Instituto Cervantes, Institut Ramon Llull, Haus der Kunst, Akademie der Bildenden Künste München, P.A.R.T.S., British Council, Muffatwerk, Tanz und Schule e.V., Access to Dance e.V., Joint Adventures, Tanztendenz München, Münchner Volkshochschule, Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum, Stadtforum München, Gasteig München GmbH., E.ON Energie, Münchner Stadtbibliothek, Iwanson-Sixt Stiftung
Künstlerische Leitung: Bettina Wagner-Bergelt
Spielorte: Muffatwerk, i-camp / Neues Theater München, SchauBurg, Staatstheater am Gärtnerplatz, Gasteig (Carl-Orff-Saal, Black Box), Nationaltheater, Prinzregententheater, Piazza E.ON Energie, Filmmuseum, Haus der Kunst, Akademie der Bildenden Künste, Neues Arena Kino, schwere reiter
Zeitraum: 25. Oktober bis 8. November 2008
Begleitprogramm: „DANCE 4 kids“ in der SchauBurg am Elisabethplatz; „Lange Nacht des Tanzes“ des Bayerischen Staatsballetts; Marjolaine Boonstra: „What Keeps Mankind alive“, Film-Installation und Ausstellung in der Black Box; Filmprogramm „Paysages Chorégraphiques“, Neues Arena Kino; „Junger Tanz“ der Schule Iwanson Dance; Workshop „Body Territories“ mit Uma Bauer und Thomas Lehmen im Schwere reiter; Symposium „TanzGegenWelten“in der Evangelischen Akademie Tutzing; Symposium „GegenWelten“ des Forschungszentrum Sound and Movement des ITW der LMU; Stadtteilprojekt „GegenWelten“ mit SchülerInnen, Access to Dance; Internet-TV-Dokumentation bei tanznetz.de; Clubs im Café Muffathalle; Parkour-Demonstrationen, Konzert „...schsch“ mit 48nord im Ampere
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