Nicht nur tanzen, sondern auch denken können
Richard Siegal wird mit dem Tanzpreis der Landeshauptstadt München ausgezeichnet
Richard Siegal wird mit dem diesjährigen Tanzpreis der Landeshauptstadt München ausgezeichnet. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird alle drei Jahre für das herausragende Schaffen von Künstlerinnen und Künstlern oder auch Ensembles, die in München leben und/oder deren Schaffen mit dem Kulturleben Münchens eng verknüpft ist, verliehen. Ausgezeichnet werden besondere Leistungen in allen Stilrichtungen des Tanzes und Persönlichkeiten, die München als Kulturstadt Geltung und Ansehen verschaffen. Der Stadtrat folgte mit der heutigen Beschlussfassung dem Vorschlag einer Jury.
Die Begründung der Jury
„Richard Siegal hat eine starke Vergangenheit und eine starke Gegenwart. In München ist er nicht nur als intellektueller 'spiritus rector', sondern ganz real und sehr körperlich präsent. Seine Party-Performance „CoPirates“ zur Eröffnung von Dance 2010, seine ergreifend introvertierte Selbstbefragung „Black Swan“ zwei Jahre später beim gleichen Festival prägten sich ebenso im Gedächtnis der Zuschauer ein wie sein Solo „As if Stranger“ in der Reihe transACTION (2008) und „Civic Mimic“ in der neuen Ägyptischen Sammlung anlässlich von Rodeo 2012, dem Festival der freien Szene. „Civic Mimic“ ist eine architektonisch durchkonstruierte Versuchsanordnung urbanen Lebens, die die Tänzer auf, unter und neben einem abenteuerlich schwankenden Steg mit einem sich frei im Raum bewegen den Publikum konfrontiert.
Im Juni wird er sein neues Stück „Unitxt“ mit dem Bayerischen Staatsballett uraufführen. Im selben Monat wird ihm der Tanzpreis der Landeshauptstadt München verliehen. Weil er die Jungen wie die Alten anspricht. Weil er stets den Nervenkitzel mitinszeniert. Weil er ein neues theoretisches Gerüst entwickelt und so sinnlich verpackt, dass sich viele daran reiben, sich aber niemand die Zähne daran ausbeißen muss.
In Richard Siegals geschmeidigem Körper wohnt ein scharfer Intellekt. Wer wie er jahrelang mit William Forsythe arbeitet, der muss nicht nur tanzen, sondern auch denken können. 1968, im Jahr der Studentenrevolte, geboren, zählt der aus North Carolina stammende Tänzer, Choreograph, Tanztheoretiker und Medienforscherzwar selbst nicht mehr zu den aufrührerischen Jungspunden, wie man sie in der internationalen Tanzszene oftmals ungeduldig vermisst, fördert aber so viel Überraschendes zutage, dass es ausreicht, den zeitgenössischen Tanz aus den Angeln zu heben und gleichzeitig neu zu positionieren. Wo andere stagnieren oder sich verirren, geht er weiter. Denn Richard Siegal fragt nach gesellschaftlichen Zusammenhängen, transformiert sie in Choreografie und erhebt dabei Internetstrategien ganz selbstverständlich zur Methode. In seiner Kooperation mit Softwareentwicklern, Architekten, Philosophen und Künstlern aus diversen Sparten realisiert Richard Siegal höchst individuell in seiner interdisziplinären Plattform „The Bakery“ sowie im offenen Umgang mit seinem Publikum, was Alexander Kluge vorlebte und folgendermaßen trefflich auf den Punkt brachte: „Kooperation ist eine natürliche menschliche Verhaltensweise.“ Das lässt auf eine starke Zukunft hoffen.“
Der Jury gehörten in diesem Jahr an:
Cornelia Albrecht (Ballet National de Marseille), Prof. Dr. Gabriele Brandstetter (Freie Universität Berlin/Tanzwissenschaft), Dr. Tanja Ertel (Rolferin, Praxis für Körper- und Bewegungsarbeit), Eva-Elisabeth Fischer (Tanzkritikerin, SZ), Micha Purucker (Choreograph) und Dr. Katja Schneider (Publizistin, Tanzwissenschaftlerin) sowie aus dem Stadtrat Dr. Ingrid Anker, Monika Renner (SPD), Thomas Niederbühl (DIE GRÜNEN/Rosa Liste) und Marian Offman und Elisabeth Schmucker (CSU).
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