Jasmine Ellis
Jasmine Ellis

Reflektion unvermeidlich

Jasmine Ellis, Choreografin und Filmregisseurin

Access to Dance, das Tanzportal für Bayern, befragt Choreograf*innen in Bayern zu ihrer Arbeit während der Pandemie. Anstelle ihrer letztgeplanten Bühnenpremiere kreierte Jasmine Ellis eine Hybrid-Version aus Theater und Film – nicht als Ersatz, sondern als eigenes Medium.

München, 09/02/2021
Frau Ellis, in Ihren Stücken beschäftigen Sie sich als Choreografin und Filmemacherin - auch titelgebend - immer wieder mit den Themen "soziale Isolation" und "Einsamkeit". Haben diese Themenblöcke in der derzeitigen Situation eine besondere Verdichtung erfahren?

Ja, wir begannen unsere Trilogie über soziale Isolation im Jahr 2019. Es war schon damals ein wichtiges Thema, aber die aktuelle Situation hat das Gespräch über die Notwendigkeit zwischenmenschlicher Verbindungen beschleunigt.

Inwiefern stellt die Pandemie Sie in Ihrer Kunstform Tanz vor Herausforderungen? Mit welchen Problemen kämpfen Sie?

Die Pandemie stellt für alle ein Problem dar. Die komplette Verschiebung der alltäglichen Möglichkeiten ist nicht vollständig nachvollziehbar, und die Verflechtungen machen es uns unmöglich, die Situation in ihrer Gänze zu erfassen. Geschlossene Theater verhindern derzeit Live-Performances, und wegen der Abstandsregelungen im letzten Sommer hatte das Publikum eine veränderte Theatererfahrung. Die Verlagerung zur Digitalität ist verständlich, weil Künstler*innen weiterarbeiten und ihre Werke zugänglich machen wollen, aber die zwischenmenschliche Erfahrung zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu sein, und die daraus resultierende Verbindung, ist nicht ersetzbar. Es war wichtig für mich zu akzeptieren, dass diese Angebote kein Ersatz für Live-Aufführungen sind, sondern tatsächlich etwas anderes.

Setzen die variierenden Restriktionen – Kontaktbeschränkungen, angepasste Trainings- und Probensituationen – auch künstlerische Impulse frei oder dienen sogar als Inspiration?


“You can't help it. An artist's duty, as far as I'm concerned, is to reflect the times.” Ich mag dieses Zitat von Nina Simone. Denn das Nachdenken hat sich immer unvermeidlich angefühlt. Meine nächste Arbeit heißt "Skin Hunger" und reflektiert, wie wir mit zwischenmenschlichem Berührungsmangel umgehen können. Ich freue mich sehr, dass dieses Projekt gerade vom Kulturreferat München gefördert wurde und im Herbst 2021 zur Premiere kommt.

Haben Sie neue künstlerische Formate entwickelt, die sonst nicht entstanden wären?


Meine jüngste Bühnenproduktion “Is Susan lonely?” sollte im November 2020 im HochX Theater Premiere haben. Aber wegen der Schließung der Theater haben wir in letzter Minute umgeschwenkt und stattdessen eine Film-Adaption des Bühnenstücks erarbeitet. Wenn etwas durch ein anderes Medium transportiert wird, möchte ich genug Respekt und Fokus auf die tiefgreifend veränderte Wirkung legen. Nur die Totale der Bühnenversion zu zeigen, fühlte sich nicht richtig an, um dieses Projekt zu streamen, das eigentlich live sein sollte. Nichts kann ersetzen, mit anderen Menschen im selben Raum zu sein. Deshalb habe ich den Film als eine neue Sache, einen neuen Versuch betrachtet. So entstand diese hybride Version der beiden Medien Theater und Film.

Welche künstlerische Anpassung werden Sie auch nach der Pandemie beibehalten?


Erneuerter Respekt für die Notwendigkeit von Live-Theater.

Die Tanzwelt lebt derzeit von Live-Streams, Video-Konferenzen, Online-Trainings etc. Wieviel analoge Wirklichkeit braucht der Tanz noch in der Zukunft?

Ich bin nicht sicher, ob wir leben. Vielleicht kommen wir gerade so durch. Menschen sind erstaunlich, inspirierend und anpassungsfähig, und ich ziehe meinen Hut vor der Kreativität und den Lösungen. Aber verstärkte soziale Isolation, Zoom-Müdigkeit und psychische Gesundheitskrisen sind nur der Anfang der langfristigen Auswirkungen. Kunst dient vielen Zwecken, das Zusammenkommen ist einer davon. Ich glaube, dieses Bedürfnis wird umso stärker werden, wenn wir uns nach dieser globalen Erfahrung hoffentlich wieder einen stärkeren Fokus auf Mitgefühl aufbauen.

Welchen Einfluss hat die Pandemie auf Ihr privates Leben? Was vermissen Sie am meisten?

Ich vermisse Geselligkeit, Freizügigkeit und Sicherheit. Bisher war es immer meine Realität gewesen, global zu arbeiten. Zudem ist meine Familie über die ganze Welt verteilt

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