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München
SUBTILE DRASTIK
Nach zweijähriger Zwangspause greift das Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz seine kultige Dancesoap „Minutemade“ wieder auf.
Vor drei Jahren hat Omar Rajeh – einer der bekanntesten Choreografen im arabischen Raum – Beirut mitsamt eigener Kompanie verlassen. Fernab der Korruption und Verantwortungslosigkeit libanesischer Politiker arbeitet er seither von Lyon aus künstlerisch weiter. Aktuell ist er beim Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz zu Gast – als dritter von drei Choreografen für (diesmal nur) zwei neue Folgen des beliebten Fortsetzungsformats „Minutemade“.
Sein Besuch ist mit einer besonderen Herausforderung verbunden: Im Schnellschussverfahren soll Rajeh einen knapp halbstündigen Abschluss für den kommenden Zweiteiler ausbaldowern. Bis zur Aufführung am 3. März bleibt ihm dazu gemeinsam mit den 20 Tänzern eine Woche Zeit. Außerdem gilt es genau da anzuknüpfen, wo sein aus Québec stammender Vorgänger Frederick Gravel am ersten Abend aufgehört hat.
Ballettchef Karl Alfred Schreiner begrüßte Rajeh inmitten des um die Studiobühne im Untergeschoss des Gärtnerplatztheaters gruppierten Publikums. Dann legen die ersten neun Tänzer in legeren Trainingsklamotten los. Die inhaltliche Richtung, die Felix Landerer dabei unterstützt von seinem musikalischen Sound-Partner Christof Littmann vorgegeben hat, ist eher bedrückend und entfaltet sich verhalten kryptisch. Da tanzt erst einer allein zwischen wie Säulen im Raum herumstehenden Kollegen. Dann sammelt man sich unter sekundenkurzen Musikfetzen in einer Ecke. Staubsaugerartige Geräusche und dumpfe Klänge ziehen und schubsen die Formation hin und her, aus der einzelne Interpreten in bodennaher Geschmeidigkeit regelrecht herausbröseln. Sarah De Greef zählt dazu. Sie mutiert mit tot nach innen gerichtetem Blick mehr und mehr zu einer Art Maschinenwesen, das scheinbar so etwas wie heftige Kopfschmerzen plagen.
An dieser Grundstimmung, die ohne Handlungsplot auskommt, ändert der aus Montreal angereiste Kanadier Frédérick Gravel wenig. Stattdessen holt er den Zuschauer einfach ganz neu ab, indem er seine Episode über eine Anmoderation beginnen lässt, die danach fragt, wie wir uns eigentlich beim Zusehen fühlen. Was folgt, schwappt über die Rampe verkleidet als Studie. Sechs Nummern in stylisch-klischierter Überformung sind dazu gemacht das in der Pandemie gemeinhin zwangsvernachlässigte Lesen sozialer Befindlichkeiten neu anzustoßen. Selten überraschten die Macher von „Minutemade“ mit so viel situativem Ernst.
Nun hat Omar Rajeh das Heft in der Hand, dem Ganzen noch eine Wendung zu geben. Oder aber er bastelt weiter an sinnlichen Zustandsbildern voll subtiler Drastik, die fliehkraftartig widerspiegeln, was augenblicklich unseren Erdball aus der Bahn zu werfen scheint.
Fortsetzung am 3. März um 21 Uhr, Gärtnerplatztheater, Studiobühne
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