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Fürstenfeldbruck
JUNGE TANZTALENTE
Die Junior Company München ist zu Gast bei dancefirst in Fürstenfeldbruck
Liebevolle Sorge für seine jungen Talente leuchtete aus seinen Augen, als Ivan Liška erklärte, warum er vor acht Jahren – noch gemeinsam mit Konstanze Vernon – nach dem Vorbild seines großen Landsmanns Jiri Kylián und dessen Nederlands Dans Theater 2 die erste Jugendkompanie in Deutschland gründete. Er sah als langjähriger Direktor des Bayerischen Staatsballetts (BSB), dass junge AbsolventInnen, auch der besten Ballett-Akademien, die sich immer stärker diversifizierenden Tanzsprachen der Gegenwart in den seltensten Fällen bereits in ihrem ersten Engagement qualifiziert und mit Genuss tanzen können. Also schien ihm zwischen Studium und Engagement eine Brücke nötig, um sie durch die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen ChoreografInnen und durch frühe Erfahrungen in der Kreation neuer Stücke zu fördern. Dadurch entwickeln sie auch ihre eigenen Persönlichkeitsstärken. Dies bot das in Kooperation des BSB mit der Ballett-Akademie der Hochschule für Musik und Theater sowie mit der Heinz-Bosl-Stiftung gegründete Bayerische Staatsballett 2, das 2017 in Bayerisches Junior Ballett München (BJBM) umbenannt wurde. Ihm gehören neun vom BSB finanzierte VolontärInnen und sieben StipendiatInnen der Heinz-Bosl-Stiftung an, die alle auch in Vorstellungen des BSB mitwirken und so bereits praktische Erfahrungen auf großer Bühne sammeln.
Das Programm von dancefirst mit dem Titel „Münchner Freiheit“ begann als locker gefügte Leistungsschau mit „Bilder einer Ausstellung“. Das wurde 2017 von Norbert Graf, Ayman Harper und Ivan Liška choreografiert, die sich vom russischen Komponisten Modest Petrowitsch Mussorgsky und zehn Malern des 20. Jahrhunderts inspirieren ließen. Aus Silhouetten wurden TänzerInnen, die meist in Soli und Duetten ihre wachsenden tänzerischen Fähigkeiten, wie sichere Balancen, sensiblen Raum- und Partnerbezug, filigrane Fußschnelligkeit, charaktervolle Ausdruckskraft und Musikalität, humorvoll demonstrierten. Nach schönen finalen Promenaden und Formationen wurden die zu tänzerischem Leben erweckten Bilder wieder Silhouetten.
„Stimmenstrahl Trio“ ging dem Symbol der Trinität nach. Vom ersten Lichtschein an folgte man Maged Mohameds Choreografie mit ihrer dezent-intensiven Soundcollage (Jacopo Salvatori, Sergei Rachmaninov), ohne von ihrem stets überraschenden, musikalischen, angenehm geheimnisvollen Verlauf je abzuschweifen. Denn immer faszinierender wechselte die Zugehörigkeit der Frau zu einem der zwei Männer. Oder es kam zur Einheit, in der das Trio stärker als das eine oder andere Paar schien, obwohl doch sonst der Pas de deux als Inbegriff der Tanzkunst gilt. Aus solchen Trios ergaben sich bei wachsender sphärischer Dichte erstaunliche Effekte, beispielsweise als die Frau zwischen ihren Partnern wie aus zwei Säulen hervortrat, die sie dann in Hebefiguren tragen. Die Musik ging in sakrale Chöre über, die Bewegungen wurden innerlich erfüllt, getragen, ohne je kitschig zu sein, und nach einer Hebung wie zur Apotheose endete das Trio als Pieta zu dritt. Maged Mohamed hat seinen Stil gefunden: Seine moderne Tanzsprache ist auch in der Abstraktion durchgängig narrativ gebunden und macht den lebendigen Austausch zwischen sich individuell entwickelnden Figuren sichtbar. In „Stimmenstrahl Trio“ strebte sie zum Licht und bündelte die besondere Atmosphäre in der Bewegung, indem sie das aufstrebende sakrale Thema in seiner Musik visualisierte. Für Carollina Bastos und ihre Partner Justin Rimke und Florimon Poisson, die tänzerisch und darstellerisch überzeugten, muss diese Arbeit eine tolle Erfahrung gewesen sein, die geistig Spuren hinterlässt.
Ganz andere Aufgaben waren in „DisTanz“ zum Thema künstliche Intelligenz gestellt. Technoaffin ließ Dustin Klein sein Sextett repetitiv mechanische, hart geschnittene Bewegungen als Kanon oder synchron mit variierenden Responsionen tanzen. Zu melodischen Klaviertönen schwangen die Bewegungen etwas weicher und menschlicher, ehe sie wieder zu denen emotionsloser Avatare verhärteten. Die drei Paare bewiesen Gespür für Kleins versierte Raumaufteilung und beeindruckten mit Exaktheit. Dass sie am Ende Kunstwesen blieben und das Stück keine Lösung bot, war gut; auch wenn die darin enthaltene Gesellschaftskritik mittlerweile etwas obsolet ist.
Für ein leuchtendes Beispiel tänzerischer Menschlichkeit sorgte das Duett der Gäste Katherina Markowskaja und Maxim Cashchegorov. Die beiden ehemaligen SolistInnen des BSB tanzten mit „Transcended“ ein Jugendwerk des immer noch jungen Terence Kohler, den Ivan Liška vor Jahren als Hauschoreografen am BSB und jetzt an der Ballett-Akademie in seine Dienste nahm. In diesem energiegeladenen Pas de deux zweier MeistertänzerInnen zu Philipp-Glass-Musik stimmten physische Präsenz und Ausdruckskraft, Musikalität und routiniert-exaktes Timing vollkommen, sodass trotz dramatischer Akzente auf Momenten, in denen die Beziehung liebender Menschen umschlägt, alles beglückend ineinander floss.
Für „Der Zar will schlafen“ hatte Ivan Liška seine Landsleute Ondrej Vinclát und Stepàn Pechar mit einer köstlichen Sozial-Satire zu einer Komposition Sergei Prokofjews beauftragt. Auch die im Ballett seltene clowneske Sprache in der Tradition der russischen Groteske – verspielt mit großem Zeigefinger – meisterten 13 junge TänzerInnen mit Bravour. Zum Schluss „3 PRELUDES“ von Richard Siegal zu Musik George Gershwins. Das Stück dieses Starchoreografen stellte mit vielen Grand Changements hohe technische Anforderungen und war mit seinen durch Dekonstruktion beschleunigten Bewegungen, seinen Tempowechseln und der Verschmelzung klassischer Technik mit alltäglichen Bewegungen auf dem neuesten Stand. Eloise Saciletto gestaltete es mit Armando Arens, Federico Bruccelori und Justin Rimke jazzig beflügelt zu einem Finale von fliegender Eleganz.
Festivalleiter Heiner Brummel tat recht daran, das BJBM zu dancefirst vor den Toren Münchens einzuladen, denn dieser Blick auf die dortige Ausbildung junger Tanztalente lohnte.
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