HOMEPAGE
München
AUGENSCHMAUS
"Ballett-Akademie en scène" im Prinzregententheater München
Schulleiter Prof. Jan Broeckx stellte wie jedes Jahr die verschiedenen Ausbildungsklassen der Ballett-Akademie – von den achtjährigen SchülerInnen der Unterstufe bis hin zu einer Abschlussklasse - mit einem abwechslungsreichen Programm vor. Die ElevInnen der Ballett-Akademie bereiteten sich monatelang auf diese Veranstaltung vor, um die Bandbreite ihrer Ausbildung öffentlich zu zeigen. Der Akzent dieses variantenreichen Ballettabends lag auf dem Bayerischen – aber dazu später.
Die jungen Tänzerinnen und Tänzer eröffneten ihren Abend zunächst mit Ausschnitten aus den klassischen Balletten "Paquita" und "Der Nußknacker". Die Prix de Lausanne-Teilnehmerin Violetta Keller und ihr Partner Andrii Hauryliuk zeigten technisch wie künstlerisch einwandfrei einen Pas de deux aus "Paquita", bevor Rin Zokuyama, Alisa Uzunova und Paul Irmatov mit dem höchst anspruchsvollen Pas de trois, ebenfalls aus "Paquita", das fachkundige Publikum begeisterten.
Passend zu den sommerlichen Temperaturen zog die heißblütige "Carmen" Kira Hilli mit Schteschedrins packender Komposition nach Bizet das Publikum in ihren Bann. Fantasiereich und kindgerecht waren die Zutaten von "Der Nußknacker" in der Choreografie von Dmitri Sokolov Katunin. Generell ging es hier kulinarisch zu, denn das Publikum wurde tänzerisch in die Welt der Süßigkeiten geführt, was ein Augenschmaus war. Die Solistin der letzten "Nußknacker"-Nummer war Polina Gurevich, die die Zuschauer mit Barbe à papa zum Schmunzeln brachte. Diese seltsame Zuckerwatte agierte als eigenwilliges Schaf, das das pastorale Idyll gehörig aufmischte.
Den Kontrast zum klassischen Programm bildete David N. Russos zeitgenössische Choreografie "Nullpunkt", in der es um spannungsreiche menschliche Beziehungen ging. Die junge Violinstudentin Ronja Sophie Putz übernahm einfühlsam den musikalischen Part mit einer Komposition von Johann Sebastian Bach, um die ProtagonistInnen im beeindruckenden Licht- und Schattenspiel zu unterstützen.
Eine Uraufführung, die sicherlich in die Annalen eingehen wird, war Kirill Melnikovs Choreografie "AlPassioni" - eine Persiflage auf das bayerische Kulturgut und seine Bräuche. Der Komponist Mark Pogolski hatte die musikalische Leitung. Das Publikum schmunzelte nicht nur über den Witz und den Charme von "AlPassioni", sondern auch über das Lachen eines kleinen Jungen, der offensichtlich Spaß an dieser ungewöhnlichen Bayernhommage hatte. Wie aus dem Bilderbuch entsprungen eröffneten drei Paare den bayerischen Part dieses Abends. Mit Dirndl und Lederhose ging es in den Biergarten, wo zwei weitere, modebewusste und fast ein wenig ordinäre Bayern das Leben in vollen Zügen genossen. Da kam die Bierbank gerade recht – als einzige Requisite übrigens, die für akrobatische Zwecke Verwendung fand. Melnikovs Choreografie ist weit mehr als eine Abfolge biederer, bayerischer Stimmungsbilder – von Biergartenleben über die Bauernidylle mit saftigen grünen Matten und Kühen bis hin zur romantischen Sommernacht, die schließlich eher unromantisch im Saufgelage endete. Großartig waren nicht nur die tänzerische und schauspielerische Leistung, durch die das bayerische Kulturerbe auf so humorvolle Weise dem Betrachter nahegebracht wurde. Originell, mit dem Klischee Bayern als Exportartikel kokettierend, waren auch die musikalischen Ideen, wie die alpenländischen Volksthemen und die eingestreuten Kuhglocken. Auch Jodler fehlten nicht. Kurz: Tanz und Musik bildeten eine kongeniale Einheit. "AlPassioni" war das geglückte Resultat der Zusammenarbeit der Zitherklasse von Georg Glasl mit weiteren InstrumentalistInnen und der Ballettakademie.
Ein weiteres Glanzstück dieses Abends war Prokofjews "Peter und der Wolf" choreografiert von Kinsun Chan und hoch virtuos getanzt von allen Mitgliedern der Ballett-Akademie. Hier liegt in der Beschränkung der Reiz. Das schwarz-weiß gehaltene, beinahe bedrohlich wirkende Bühnenbild und die schwarz-weiße Kostümierung ließen die kontrastreichen Bewegungen deutlich hervortreten. Staatsminister Heubisch a.D. bereitete es sichtlich Freude die Geschichte dieses musikalischen Märchens mit viel Witz vorzulesen. Ihm ist es zu verdanken, dass "Peter und der Wolf" nun in einer bayerischen Fassung existiert, mit den typisch bayerischen Spracheigenheiten wie beispielsweise der doppelten Verneinung. Dass die Figur des Großvaters aus diesem musikalischen Märchen nicht nur einen Hexenschuss hatte, wie die Choreografie es vorschreibt, sondern der Tänzer sich während der Pause am Fuß verletzte, tat diesem bayerischen Ballettabend keinen Abbruch. Beachtlich, dass David Russo trotz Verletzung auf die Bühne ging. Zu hoffen bleibt, dass der Fuß heilt und entsprechende Abende mit diesen vielversprechenden Talenten weiter Bestand haben werden.
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