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München
SONNIGE AUSSICHTEN
Die Heinz Bosl-Stiftung glänzte in ihrer Matinée mit Klassischem und Modernen
Mittlerweile dürfte es sich herumgesprochen haben - bei Ivan Liška scheint immer die Sonne – eine Art Naturgesetz. So auch am vergangenen Sonntag. Draußen in der ‚Wildnis’ – dazu später – und im Nationaltheater anlässlich der Ballettmatinée der Heinz-Bosl-Stiftung. Den Zuschauern attestierte Liška, die richtige Wahl getroffen zu haben. Schließlich gäbe es viele sonnige Tage, aber nur vier Matinéen pro Spielzeit.
Mit der Kindermazurka aus „Raymonda“, stimmig und exakt von den etwa 12-Jährigen vorgetragen, wurde die Matinée eröffnet. Die Zuschauer haben damit schon einmal eine ausgezeichnete Kostprobe bekommen, steht „Raymonda“ doch auf dem Spielplan des Bayerischen Staatsballetts und wird bald zur Aufführung gelangen. Exaktheit in Form und Technik, ohne die Freude am Tanz zu kurz kommen zu lassen, lautete das Credo nicht nur dieses ersten Tanzbeitrages. Es folgte der so geistreich wie intelligent getanzte „Blues in a-minor“, inspiriert von den Handpuppen des Künstlers Paul Klee – in Erinnerung an Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“. In diesem Zusammenhang ist die Paul-Klee-Ausstellung in der Pinakothek der Modernen zu empfehlen, die noch bis zum 10. Juni zu sehen ist.
Mit „Gleichgewicht auf katalanisch“, das Diego Urdangarin Ferreira als Bachelorarbeit vorgelegt hat, stellt der Absolvent der Akademie in der folgenden Choreografie das Thema Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in den Mittelpunkt des Geschehens. Schlicht, ergreifend und überzeugend beginnt das Stück mit dem Trennenden in Form einer Stellwand, die später im wörtlichen Sinne beiseite geschoben wird, und in dem dadurch gewonnenen Raum Platz für einen anschmiegsamen Pas de deux bietet.
Dass Liška bei aller Perfektion die psychologische Seite eines Tänzers, einer Tänzerin mit im Blick hat, dokumentiert Lotte James Bachelorarbeit „Evanesce“. Um ihre Depression, die Schattenseite des Lebens, zu verarbeiten, hat die Künstlerin resignierende und nach oben strebende Bewegungen in Beziehung gesetzt und verleiht ihrem Stück damit Spannung.
Mit einer Hommage an Jiří Kylián hat Marek Svobodnik in „Petite corde“ mit Witz an menschliche Schwächen erinnert, zum Beispiel wenn man doch ein wenig zu tief ins Glas geschaut hat. Welche künstlerischen Möglichkeiten ein schwarz-rotes Satintuch so in sich hat, ob als Schal, als Kopfbedeckung, als Schürze oder als Tischdecke, davon konnte man sich hier ein Bild machen – kein Wunder, dass dieses erfrischende Werk bei 56 Ensembles auf dem Spielplan steht.
Nach der Pause hieß es für Staatsminister Dr. Marcel Huber ‚Bühne frei’. Tanzen brauche er nicht, beruhigte ihn Ivan Liška, was Huber erleichtert zur Kenntnis nahm. Sofort erklärte der Minister, dass er daher die Bühne nur betreten wolle, um das Projekt „Ballett und Wildnis“ vorzustellen. In einem feierlichen Akt wurde diese Absichtserklärung zwischen dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, der Heinz-Bosl-Stiftung und dem Bayerischen Juniorballett unterzeichnet. Dabei werden die Tänzerinnen und Tänzer zu Botschafter der „bayerischen Wildnis“ ernannt, um beispielsweise ökologische Themen in die Sprache des Tanzes zu übersetzen oder Ballette in der ‚freien Wildnis’ aufzuführen.
Mit einem ergreifenden „Again(st)“ wurde der zweite Teil der Matinée eingeleitet, einem Werk, das David Russo für den 6. Bundeswettbewerb Biennale Tanzausbildung kreiert hatte. Die Matinée schloss mit dem filigranen Werk „Nonett“. Die in Pastelltönen vorgenommene Kostümierung der anmutigen und leichtfüßig gehaltenen Choreografie bildete einen anregenden Kontrast zu „Again(st)“. „Nonett“ sorgte mit seinen fließenden Bewegungen für frühlingshafte Stimmung – was sich ohne Weiteres auf den so hoffnungsvollen, künstlerischen Nachwuchs übertragen lässt. In diesem Sinne darf man auf einen anregenden Ballettsommer gespannt sein und sich auf einen ereignisreichen Herbst aus Anlass des 40-jährigen Bestehens der Heinz Bosl-Stiftung freuen.
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